Balkonkrise. Die neue Erde, das Dachgartensubstrat, funktioniert nicht. Zumindest nicht bei mir, auf meinem Balkon, mit meinem Saatgut. Um es kurz zu machen: Ich bin total frustriert. Dachte ich doch, in diesem Jahr mit Profi-Erde alles richtig gemacht und einen preisverdächtigen Sommerbalkon in Aussicht zu haben.
Es gab ja schon anfangs Hinweise, dass die Erde nicht optimal ist: Stellenweise sind von den Samen der einjährigen Sommerblumen gar keine aufgegangen (siehe Beitrag: Für Sie geschleppt: Erde – Erfahrungen und Experimente). Dann habe ich in die Lücken feinere Erde gekrümelt, nachgesät und dann haben da auch Pflänzchen gekeimt.
Aber die Pflanzen wachsen nicht oder fast nicht. Mitleidserregend mickrig sind sie (siehe Bild oben). Im Vergleich zu den Jahren vorher nach gut acht Wochen zwergenhaft. Und gelblich. Alle anderen Pflanzen in anderen Töpfen und Kästen wachsen sehr gut, aber ich blicke nun auf acht (!) Kästen mit hocken gebliebenen Sommerblümchen. So leicht durchsichtig und schwächlich stelle ich mir die Tuberkulösen auf dem Zauberberg vor.
Glück im Unglück: der rettende Hinweis einer Gärtnerin
Das alles habe ich vor ein paar Tagen einer Gärtnerin geklagt, mit der ich zufällig ins Gespräch gekommen bin. Sie kennt das Phänomen mit der Dachgartenerde des Herstellers bei Wildpflanzen-Ansaaten im Topf und hatte auch einmal die Probleme. Ferndiagnose per Telefon: Stickstoffmangel. Tipp 1: Ich solle organischen Langzeitdünger, zum Beispiel Hornspäne, oben auf die Erde streuen – auch wenn man Wildblumen normalerweise NICHT düngt – und ganz viel gießen. Tipp 2: Substrat auswechseln.
Noch am gleichen Tag habe ich organischen Langzeitdünger in alle Patientenkästen gestreut, keine Hornspäne, sondern ein Produkt, das ich fußläufig im Bioladen kaufen konnte und das für den Ökolandbau zugelassen ist. Dazu habe ich mir auch noch Bio-Flüssigdünger geholt und als Sofort-Reanimations-Maßnahme eine Runde Düngerbrühe ausgegeben. Ja und jetzt gieße und gieße ich, damit – so stelle ich mir das als Laie vor – die ganzen kleinen nahrhaften Stickstoffmoleküle direkt zu den Wurzeln geschwemmt werden, welche sie dann begierig aufsaugen.
Ich meine, es hat schon etwas geholfen, das Wächserne ist einem gesünderen Grün gewichen und gewachsen sind die Pflanzen auch ein bisschen, zumindest manche. Leider die, die nicht wegen ihres Pollen- und Nektarwerts gesät wurden, sondern wegen ihres Schauwertes in der Syringa-Mischung sind. Auf der Liste von Syringa sind diese Pflanzen mit einem „S“ für Schauwert gekennzeichnet, zum Beispiel Kuhkraut und Flachs. Nicht einmal eine einzige Ackersenfpflanze ist gewachsen, das waren immer die ersten Blüten. Ein paar Ackerringelblumen – immerhin – öffnen zur Zeit ihre kleinen orangen Blüten, wenn die Sonne scheint.
Radikallösung
Bei dem Kasten mit den größten Lücken und den kleinsten Pflanzen habe ich heute das Substrat ausgewechselt. Die Gärtnerin meinte, die Wurzeln seien noch nicht so lang, das müsste gehen. Naja. Ich habe mit meiner Schaufel die Pflanzen mit etwa fünf Zentimeter Erde in Stücken rausgehoben, die Dachgartenerde raus und eine andere Erde rein (torffreie Gartenerde und Sand 1:1), die Pflanzen oben wieder drauf gesetzt, angedrückt und viel gewässert. Viele kleine Pflanzen sind dabei kaputt gegangen oder unter die Erde geraten. Jemand mit Erfahrung im Pikieren hätte das wahrscheinlich bravourös gemeistert. Bei mir sah es im Kasten nach dem Eingriff schlimm aus, schlimmer als vorher. Ich kann nur säen und gießen und belasse es bei dem einen dilettantischen Versuch. Jetzt warte ich ein Weilchen und wenn die angesäten Blumen weiterhin streiken, dann muss ich mir etwas anderes überlegen. Vielleicht einen Ausflug zu Staudenspatz ins Voralpenland machen.
Heilige Dorothea, hilf!
Aber: Wenn ich keine Kornblumen habe, kommen die Distelfinken nicht und wenn ich keinen Natternkopf habe, kommen die Grünfinken nicht. Heilige Dorothea, heilige Getrud von Nivelles, heiliger Fiacrius, heiliger Christophorus, alle Schutzpatrone der Gärtnerinnen und Gärtner, bitte helft!
Nachtrag vom 28. Mai: Kleiner als sonst, aber kein Totalausfall
[…] schön an. Aber in dieser Erde haben meine einjährigen Sommerblumen gestreikt (siehe Beiträge „Von den Sorgen des Säens“ und „Wonnemonat Juni“). Da die Stauden vergleichsweise viel teuerer sind als Saatgut, […]
Zum Thema Hornspäne fällt mir noch folgendes ein:
Hornspäne sind eigentlich gar nicht so gut geeignet für Töpfe und Kästen – es bedarf gewisser Bodenorganismen, um Hornspäne in organischen Stickstoff umzuwandeln, der von den Pflanzen aufgenommen werden kann. Und auch dann dauert die Umsatzrate bei den groben Hornspänen sehr lange – also eher ein Langzeitdünger (mit dem Vorteil, eigentlich nicht Überdüngen zu können).
Horngrieß und Hornmehl werden aufgrund ihrer geringeren Partikelgröße schneller umgesetzt, speziell das Hornmehl wird gerne genommen, wenn schneller Stickstoffbedarf herrscht. Aber auch hier besteht das Problem, dass sich die benötigten Bodenorganismen für den Abbau in Töpfen und Kästen eher wenig vorfinden lassen.
Daher überlege ich, nächstes Jahr auf biologischen Flüssigdünger umzustellen, der besser von den Pflanzen aufgenommen werden kann und neben organischem Stickstoff auch Phosphate und Kalium enthält. Derzeit nutze ich noch Horngrieß als (Langzeit)Dünger.
[…] – hat geholfen. Der Wilde Meter sprießt und blüht, dass es eine Pracht ist. Die anfänglichen Sorgen des Säens wichen den Freuden des Gedeihens. Schaut her, dies bunte Balkongärtnerglück grüßt jetzt alle […]
Ich drücke die Daumen für die übliche Balkonpracht! Bei meinem Kasten ist alles bestens, er wächst und gedeiht.
In deinem Kasten habe ich auf das Ökohum-Dachgartensubstrat noch rund vier Zentimeter Anzuchterde gegeben. So funktioniert es vielleicht auch mit dieser Erde. Bitte gerne mal ein Foto schicken, dann stelle ich das hier zur Info ein.
Ich bin erschüttert und gleich mal auf meinen Balkon gelaufen, denn du hast mir ja den Samen geschenkt für die Bepflanzung dieses Jahr. Aber hier ist alles im Lack, sieht fett und grün aus und gesund. Dabei hatte ich noch bedauert, kein Dachgartensubstrat organisiert zu haben, denn es steht ja überall, dass das gut sein soll. Stattdessen habe ich einfach Aufzuchterde gekauft, dann noch so ein paar gepresste Ballen, was auch immer da drin ist (ich konnte nicht mehr schleppen. Sollte Torf drin sein, schäm ich mich. Aber ich glaub, es war nicht der Fall). Und dann bin ich im Schutze der Nacht zu dem Sandkasten bei unserem Haus gelaufen, den nie ein Mensch bespielt, und hab ihm ein bisschen Sand entnommen, und dann hab ich das alles kühn frei Schnauze ohne Rücksicht auf Mischungsverhältnisse gemischt. Bislang scheints zu schmecken – aber noch ist nicht aller Tage Abend. Blühen tut noch nichts. Aber ich war auch später dran. Weil ich nicht wusste, wie robust Wildpflanzen sind. Meine Töpfe sind überwiegend ziemlich tief.
Meine Erde darf man gerne kritisieren, ich lerne immer gern dazu. Wird Zeit, dass mal eine Erde auf den Markt kommt, wo Wildpflanzenerde draufsteht, in drei verschiedenen Varianten vielleicht, kombiniert mit drei verschiedenen hochwertigen Samenmischungen, damit man nichts falsch machen kann.
Nichtsdestotrotz bin ich zuversichtlich, dass den Pflanzen noch zu helfen ist und dass du in zwei Monaten den üblichen traumhaften nicht zu toppenden summenden schwirrenden Märchenbalkon haben wirst! So wies immer war!
Oje, dass hört sich ja wirklich frustrierend an. Ich hoffe aber trotzdem stark, dass weder Sie noch die interessierten Leser den Mut verlieren und weiter probieren. Wichtig ist das richtige Zusammenspiel zwischen: Topfgröße – Standort – Substrat und verwendeter Pflanze bzw. Saatgut und Wasser.
Ist das Gefäß mit geringer Tiefe – wie z.B. handelsübliche Balkonkästen – der Standort sonnig, dann kann ich wunderbar mit dem Dachsubstrat und Pflanzen für mageren, evtl. steinigen und trockenen Boden arbeiten. Pflanzen, die viele Nährstoffe brauchen und auch einen großen Wurzelbereich, wie zB. die Sonnenblume, sollten in große, tiefe Töpfe mit nährstoffreichem Substrat gesetzt werden. Meine Vorgehensweise: ich bepflanze Töpfe und Kästen mit Pflanzen gezielt auf die Bedürfnisse angepasst. Einen Kasten mit Saatversuchen machen. DAnn ist die Frustration geringer. Die gesäten Pflanzen dienen dann in den folgenden Jahren – sofern mehrjährig- um Löcher zu füllen und neue Töpfe zu beglücken. Ein Ausflug zu Stauden Spatz ist nie verkehrt und sicherlich die Reise wert.
Bei Interesse an einer Balkon Beratung: http://www.BarbaraSTark.de
Liebe Frau Stark, haben Sie vielen herzlichen Dank für Ihren Rat! Ich lasse mich auf keinen Fall entmutigen und ich habe ja noch viele andere schöne Pflanzen auf dem Balkon. Unter anderem die Stauden von der Gärtnerei Pointl, die ich in Ihrem Balkon-Stauden-Kurs im Jahr 2015 erworben habe. Bisher hat es mit dem Säen auch immer gut funktioniert. Die Gärtnerin hat mir aber auch erklärt, dass Dachgartensubstrat nicht gleich Dachgartensubstrat ist. Die Zusammensetzung sei ganz unterschiedlich. Was würden Sie denn hier raten? Worauf muss man achten? Ich werde Sie auf jeden Fall in die Linkliste für Balkon-Beratung setzen! Einen schönen Mai-Sonntag! Katharina Heuberger