Einjährige Saatgut Wildpflanzen

Spätsommer oder die denkende Linie

Ende August. Die Farben der Sommerblumen sind verschwunden, die Blüten haben sich in kleine braune Skulpturen verwandelt. Einjährige Blumen müssen in nur einer Vegetationsperiode wachsen, blühen und wieder Samen bilden, dann sterben sie ab.

Am 13. März habe ich die einjährigen Blumen dieses Jahr ausgesät, jetzt habe ich begonnen, einen Teil der Samen zu ernten. Natternkopf und Kornblumen sind vom Stieglitz und Grünfink praktisch komplett abgespeist. Aber die Kornraden (Agrostemma githago) zum Beispiel bilden feste bauchige Kelche mit einer fünfzackigen Krone (siehe Bild oben), in denen – wie in einer kleinen Rassel – die schwarzen Samen leise klackern, wenn man sie schüttelt. Die Samen sind hochgiftig, sie enthalten Saponine, die zu Erbrechen, Krämpfen und zum Tod durch zentrale Atemlähmung führen. (Quelle: Was blüht denn da? Kosmos Verlag 2010) Als Getreideunkraut war die Kornrade deshalb früher gefürchtet und wurde – irgendwie verständlich – infolgedessen fast ausgerottet.

Ich habe jahrelang gedacht, die Blume würde Konrade heißen, abgeleitet vom Männernamen Konrad. Da mein Vater Konrad heißt, war mir dieses Ackerkraut aufgrund seines vermeintlichen Namens immer sympathisch gewesen. Als ich vor drei Jahren zum ersten Mal Saatgut bestellt haben, klärte sich der Irrtum auf. Ich war echt richtig enttäuscht, dass aus meiner Konrade eine Kornrade wurde, habe sie aber dann trotzdem bestellt und gesät. Und obwohl sie bei uns nicht gut von Insekten besucht ist, säe ich sie nun jedes Jahr, weil mein Mann sie so hübsch findet.

Gestern habe ich die schwarzen Samen aus den Rasseln geschüttelt und in ein Tütchen gefüllt. Wenn man weiß, wie giftig sie sind, und so viele Krimis sieht und liest wie ich, regt die Kornraden-Ernte die Phantasie an. Vielleicht sollte ich ein Drehbuch für einen Tatort im Wildblumenmilieu schreiben.

Schwarz und giftig: die Samen der Kornrade. Alle Teile der Pflanze sind giftig!

 

Diese kleinen Tütchen gibt es bei Manufaktum. Da ich eine große Schwäche für hübsche Schreibwaren-Artikel habe, hatte ich die Tütchen schon, bevor ich wusste, was ich da jemals einfüllen soll.
Kamille – die Samen sind schon abgefallen, bevor ich Zeit hatte, sie zu sammeln.

 

Nelkenleimkraut – die Samen sind klitzekleine Fussel. Ich habe die vertrockneten Blüten samt den Samen einfach komplett in die Tütchen gestopft und hoffe, dass die noch herausfallen, wenn die Blumenreste noch stärker vertrocknen.

 

Keine Blüte, aber zwei Linien aus Kornblumenblättern. In Buenos Aires habe ich im Centro Cultural Borges 2010 eine Ausstellung gesehen: „La línea piensa“, die Linie denkt. Das Projekt reflektierte über die Linie, den Strich, als Essenz von Zeichnungen. Daran haben mich diese  geschwungenen Linien auf dem Münchner Augusthimmel erinnert.

8 Kommentare zu “Spätsommer oder die denkende Linie

  1. Karin Westhoff

    Habe jetzt auch die kornrade im Kasten.
    Wissen Vögel, dass sie giftig für sie ist,??

    • Redaktion

      Liebe Karin, ich habe Deine Frage an Philipp Herrmann, den Vogelphilipp, weitergegeben. Er sagt: „Ja, das wissen die Vögel. Die Kornrade ist ein heimisches Gewächs und ist der Vogelwelt bekannt. Es gibt ja auch tausende von Zucht- und Zierpflanzen sowie eingeführte Arten aus anderen Ländern die den Vögeln völlig unbekannt sind.“ Philipp hat auch eine Website, auf der man noch mehr über ihn und seine Arbeit mit Vögeln erfährt: http://dervogelphilipp.de/ Er macht zum Beispiel jedes Jahr die Aktion „Vogelstimmen-Hotline“, die leider gerade zu Ende gegangen ist. Herzliche Grüße, Katharina

  2. Liebe Katharina, ein superschönes Foto der „Konrade“ wie auch der anderen Pflanzen .-) Auch ein hübscher Name übrigens. Vielleicht benennen sie sie noch mal um, haha. Das die Saat giftig aus, auf den Gedanken wäre ich gar nicht gekommen. Manchmal geht man doch etwas unbedarft an die harmlos aussehenden Pflänzchen. Da ist gute Information wertvoll. Ja, bei manchen Pflanzen kann man gar nicht schnell genug sein mit dem Ernten, bevor sie ihr wertvolles Gut verschleudern. Ich wollte mir von einem Grünstreifen noch Saat einer dunkelpinkfarbenen Mauretanischen Malve holen. Als ich im Sommer dort war, hatte sie noch keine Saat gebildet. Als ich später hinfuhr, hatten die Gärtner sie abgemäht. Grrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr. Vielleicht kommt sie nächstes Jahr wieder. Die Malven sind bei mir neben dem Blutweiderich Insektentechnisch der Renner !! Was ist dein Favorit auf dem Balkon ? Liebe Grüße, Almuth

    • Liebe Almuth, den Blutweiderich wollte ich mir bei meinem Ausflug zur Staudengärtnerei auch kaufen, weil ich nur Gutes von ihm gelesen und gehört habe – aber der war gerade nicht vorrätig. Der Bayerische Rundfunk hat ihm sogar im Sommer in der Reihe „Querbeet“ eine Sendung gewidmet (https://www.br.de/br-fernsehen/sendungen/querbeet/querbeet-blutweiderich-lythrum-116.html). Ich will ihn mir nun im nächsten Frühjahr auf den Balkon holen. Deine Informationen bestärken mich darin jetzt noch einmal. Malven hatte ich mal aus dem Garten meiner Mutter, aber das war bestimmt nicht die Wildform, die schreibe ich jetzt nach deiner Empfehlung auf meinen Einkaufszettel 🙂 Mein Favorit? Schwierig, mir gefallen fast alle Blümelein, aber eine Top-Empfehlung wäre der Kugellauch (Allium sphaerocephalon) in einem großen Topf. Auf dem Kugellauch trifft sich im Juli alles, was Flügel hat. Die Hummeln finden ihn so toll, dass sie darauf übernachten. Das habe ich mehrere Jahre beobachtet. Der Kugellauch ist außerdem pflegeleicht. Ich mache einfach dazu bald noch einen Extra-Blog-Beitrag. Und ganz persönlich mag ich noch den Wegerich-Natternkopf in der Syringa-Mischung, der ist nicht richtig einheimisch, aus dem Mittelmeerraum und im Gegensatz zum einheimischen Natternkopf einjährig. Mir gefällt, wie sich die Blüte ihre Farbe von Rosa in ein strahlendes Blau ändert. Wenn die zusammen aufblühen, dann erstrahlt der Balkon in einer Art Sonntagspracht. Die Hummeln lieben die Blüten und der Grünfink die Samen. Eine Blume für Mensch, Insekt und Vogel. Das finde ich auch toll!

      • Ach, das letzte hört sich ganz fantastisch an. Eine Rundum-sorglos-wohlfühl-Blume sozusagen 🙂 Natternkopf soll ja der Renner sein. Der fehlt bei mir eigentlich wirklich und den Kugellauch finde ich auch wunderbar – ich hab nur echt keinen Platz mehr. Es sei denn, ich sortiere was aus bzw. tausche was um. Drei Malven, drei Kokarden – vermutlich wetterbedingt waren sie dieses Jahr zeitweilig nicht so üppig wie im Vorjahr. Stattdessen mal ein Natternkopf 🙂 ?! – Beim Blutweiderich muß ich dich nur warnen: er steht bei mir vom späten Frühjahr bis zum Herbstanfang in Wasserschalen und er trinkt mörderisch viel. Es ist ja eine Graben- und Uferpflanze. Ich denke manchmal, daß er deshalb auch eine so tolle Nektarpflanze ist. Wenn andere Blumen im Hochsommer mittags schlappen, zieht er immer noch Wasser und produziert Nektar (meine Theorie). Und es dauert ein paar Wochen, bis die Blütenrispen durchgeblüht sind. Alle paar Tage macht er neue auf (oder jeden?) Ich liebe ihn jedenfalls und er wird echt gut besucht ! Ach ja, so viele schöne Pflanzen. Da muß man sich entscheiden. Du hast ja immerhin zwei Balkone 🙂 Den Beitrag werde ich mir mal ansehen. Ich kann vom Weiderich nie genug bekommen, haha ! dir einen schönen Sonntag ! LG, Almuth

  3. In der Natur findet sich schon das eine oder andere Gift. Im Kindergarten mussten wir immer alles der Kindergärtnerin zeigen, bevor wir es essen wollten. Deine Kornrade ist sehr schön. Meine neuste Wissenserweiterung ist, dass Brennnesselsamen sehr vitaminreich sind und deshalb in keinem Müesli fehlen sollten. Ich werde mich in den nächsten Tagen an die Ernte machen. Die getrockneten Samen kommen allerdings in ein Glas. 🙂 Liebe Grüsse nach Balkonien von Regula

  4. Britta Kramps

    Ich bin ganz frischer Abonnent Deiner Beiträge und freue mich jetzt immer auf Neuigkeiten vom wilden Meter. Eine schöne Mischung aus Informationen, guten Fotos und interessanten Geschichten. Vielen Dank dafür.

    • Redaktion

      Liebe Britta, ich freue mich sehr, dass dir der Wilde Meter gefällt! Vielen herzlichen Dank für das Lob, Katharina

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