Zehn Trambahn-Stationen vom Wilden Meter entfernt gibt es ein Wildbienenparadies: den Botanischen Garten München. Die Bienchen werden wissenschaftlich erforscht, gezählt und bestimmt, unter anderem von Andreas Fleischmann, den ich schon für diesen Blog interviewt habe. Nun gibt es eine aktuelle Untersuchung des Forschers zum Einfluss des Klimawandels auf den Artenschwund bei Insekten.
Mindestens 106 Wildbienenarten kommen im Botanischen Garten München vor, eine Zahl, die sich in den letzten Jahren durch das Hinzukommen von 15 wärmeliebenden Arten erhöht hat.
Eine weit verbreitete Fehleinschätzung ist es, dass am derzeit festgestellten drastischen Insektenrückgang auch die Klimaerwärmung mit schuld sein könnte. Es ist jedoch schon lange bekannt und nachgewiesen, dass diese eher zu einer Vermehrung der Insektenanzahl führen würde, denn wärmeliebende Insekten sind in mediterraneren Klimaten, und natürlich den Tropen, schon immer zahlreicher als in mehr nördlichen Breiten.
Dabei ist es oft nicht einfach, die direkten Auswirkungen von Klimaerwärmung auf die Artenzusammensetzung einer bestimmten Insektengruppe (zum Beispiel der Wildbienen) in einem Lebensraum zu erforschen – denn das Klima wirkt sich nicht nur mit Temperatur sondern auch über den damit verbundenen Wasserhaushalt auf den Lebensraum direkt aus, vor allem auf die Nahrungspflanzen der Insekten, die zum Beispiel mit Dürre zu kämpfen haben.
Optimierte Lebensräume für wissenschaftliche Langzeit-Forschung
Botanische Gärten stellen daher so etwas wie künstliche, „optimierte“ aber langzeitig stabile Lebensräume für blütenbesuchende Insekten dar, denn dort blühen jedes Jahr die gleichen Pflanzenarten, auch bei längerer Trockenheit, denn es wird künstlich bewässert. Lediglich die Temperatur ändert sich auch für die Pflanzen und Insekten dort mit der Klimaerwärmung.
Der Artenreichtum des Botanischen Gartens München – an heimischen Wildpflanzen wie auch Zier- und Nutzpflanzen – seine geschützte Lage und die Nichtanwendung von chemischem Pflanzenschutz sind seit der Eröffnung des Gartens 1914 unverändert geblieben.
Bestandsaufnahme der Wildbienen
Eine erste Inventarisierung der Wildbienenfauna des Botanischen Gartens München fand in den Jahren 1997 bis 1999 statt – nun wurden fast 20 Jahre später die dort vorkommenden Wildbienenarten erneut dokumentiert. Doktorandin Michaela Hofmann von der LMU München hat zusammen mit Andreas Fleischmann von der Botanischen Staatssammlung München (SNSB-BSM) von 2015 bis 2017 jeweils von Frühjahr bis Herbst auf regelmäßigen Kontrollgängen durch den Botanischen Garten alle gefundenen Bienen dokumentiert.
Bei größeren Arten war das teilweise schon anhand von guten Makrofotos möglich, bei vielen kleinen und schwierig zu bestimmenden Wildbienenarten war eine genaue Bestimmung nur durch DNA-Abgleich mit dem Barcoding-Projekt Fauna Bavarica der Zoologischen Staatssammlung (SNSB-ZSM) möglich. Nun wurden die Ergebnisse dieser Wildbienen-Erfassung zusammen mit der LMU-Wissenschaftlerin und Leiterin des Botanischen Gartens, Susanne Renner, in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Oecologia veröffentlicht.
Deutliches Ergebnis: Mehr Arten durch Klimawandel
Die Ergebnisse sind überraschend deutlich: Wurden 1997 bis 1999 noch 79 Wildbienenarten im Botanischen Garten nachgewiesen, konnten 20 Jahre später 106 Arten gefunden werden. Im gesamten Stadtgebiet München sind seit 1990 192 Bienenarten von Insektenkundlern gefunden worden, das heißt 55 Prozent aller Münchner Bienenarten kommen auch im Botanischen Garten mit seinem reichhaltigen Angebot an Nahrung und Nistplätzen vor.
Eine Untersuchung der Temperaturpräferenzen der neu gefundenen und der nicht mehr gefundenen Arten ergab: Von den 1997 bis 1999 nachgewiesenen 79 Arten wurden 62 von 2015 bis 2017 wiedergefunden (einige davon sind heute sehr viel häufiger), aber 15 wärmeliebende Wildbienenarten wurden erstmals gefunden. Drei Wildbienenarten, die eher kühlere Lebensräume wie Wälder bevorzugen, wurden nicht wiedergefunden.
Zwischen 1997 und 2017 hat sich die durchschnittliche Temperatur während der Vegetationszeit in München um 0,5 °C erhöht, während die Winter immer kürzer wurden. Unter den zwischen 2015 und 2017 neu im Botanischen Garten „angekommenen“ Bienen sind entsprechend mehrere Arten, die bis vor ca. 20 Jahren nur von den Wärmeinseln Deutschlands bekannt waren.
Dazu gehört zum Beispiel die große und auffällige Blauschwarze Holzbiene (Xylocopa violacea), die Gelbbindige Furchenbiene (Halictus scabiosae), die Gehörnte Mauerbiene (Osmia cornuta) und die Natternkopf-Mauerbiene (Hoplitis adunca). Keinerlei Zusammenhang konnte dagegen gefunden werden zwischen Verschwinden oder Neufund und dem Rote-Liste-Status oder den Nahrungspräferenzen der Arten (ob sie z. B. auf bestimmte Blüten spezialisiert sind oder nicht) – lediglich die Wärmepräferenzen der Bienenarten waren signifikant für ihr Vorkommen.
Quelle: Pressemeldung der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (SNSB) vom 22. März 2018
Bild: Botanische Gärten mit naturnahen Pflanzungen stellen sich oft als erstaunlich artenreiche Lebensräume für Wildbienen heraus. Im Foto die Aschgraue Sandbiene (Andrena cineraria) in der Steppenpflanzung des Botanischen Gartens München. | © Andreas Fleischmann
Originalveröffentlichung:
M. M. Hofmann, A. Fleischmann, S. S. Renner (2018) Changes in the bee fauna of a German botanical garden between 1997and 2017, attributable to climate warming, not other parameters. Oecologia, online article: Online-Artikel
Weitere Informationen:
Mehr zu den Wildbienen des Botanischen Gartens München erfahren Sie unter www.botmuc.de/de/bienen an
Zoologische Staatssammlung München: DNA-Bar-Coding-Projekt
Auch im Frühjahr 2018 wird wieder ein Wildbienen-Markierungsprojekt im Botanischen Garten München stattfinden, bei dem alle Münchner Bürger mithelfen sollen. Informationen zum Wildbienen-Markierungsprojekt 2017 finden Sie hier auf dem Blog im Beitrag: Mitmach-Projekt: München sucht nummerierte Wildbienen
Für den Blog habe ich Andreas Fleischmann im Februar im Botanischen Garten besucht und zur Funktion der verschiedenen Nestverschlüsse befragt: Das Wettrüsten von Räuber und Beute
Spannend, diese Entwicklung einmal so dokumentiert zu sehen. Diese Entwicklung wird sicher noch weiter zunehmen. Mich wundert, daß die Osmia Cornuta zu den wärmeliebenden Wildbienen zählen soll, die früher dort nicht vorkamen? Das hätte ich nicht gedacht. Ich wußte nicht, daß die in diese Kategorie fallen (aber ich weiß vieles noch nicht ;-)! Die Situation in unseren warmen Städten wird vermutlich noch mal eine andere sein, als in den kühleren ländlichen Gebieten. Vielen Dank für den tollen Artikel und noch einen geruhsamen Ostermontag 🙂