Hummeln Wilde Tiere

Männer ohne feste Behausung

Trinken, Rumstreunen, Abhängen, Sex – Hummelmännchen haben ein kurzes, aber schönes Leben, ihre einzige Aufgabe ist die Paarung. Klingt jetzt ein bisschen nach Draufgängertum und Casanovas, aber die Jungs haben auch eine romantische Ader. Sie schlafen auf Blüten.

Es sind gerade viele Hummel-Männchen unterwegs auf dem Wilden Meter. Gestern hab ich eine Schlafgemeinschaft von Männchen drei verschiedener Hummelarten im Steppensalbei und auf den Gelben Skabiosen in einem Blumenkasten entdeckt: Erdhummel-, Steinhummel-und Ackerhummel-Jungs. Gestern bei etwas kühlerem Wetter und bei Regen sind sie einfach den ganzen Tag sitzen geblieben bzw. hängen geblieben. Dass die Weibchen um sie herum fleißig gearbeitet haben, hat sie nicht im Geringsten aus der Ruhe gebracht. Als ich sie mit dem Fotoapparat etwas beim Rumhängen gestört habe, haben sie mir fürchterlich mit erhobenen Beinchen gedroht. Danach haben sie es sich aber wieder auf ihrer Blüte gemütlich gemacht.

Zum ersten Mal habe ich Hummeln als Übernachtungsgäste im Juli 2017 auf den Wilden Karden beobachtet. Durch Internetrecherche habe ich damals herausgefunden, dass es Männchen sein müssen. Die Erklärung war, dass Männchen nicht ins Nest dürfen, weil sie selbst nicht Nektar und Pollen für das Volk sammeln, sondern im Nest nur als zusätzliche Esser zur Last fallen. Die Quelle habe ich leider nicht mehr gefunden. Ich finde die Erklärung zwar plausibel, aber es könnte ja vielleicht auch sein, so ein Gedanke von mir, dass ihre Chancen auf Paarung größer sind, wenn sie draußen bleiben und gleich zur Stelle sind, wenn eine hübsche paarungsbereite Jungkönigin vorbeikommt.

Erdhummel-Drohn auf Wilder Karde
Erdhummel-Drohn in einer hellen Mondnacht auf Wilder Karde, 10. Juli 2017

„Leben ohne feste Behausung“

Gestern habe ich noch einmal ein bisschen zu übernachtenden Hummeln recherchiert und zwei erklärende Textstellen gefunden.

In einem Aufsatz mit dem schönen Titel „Beobachtungen über die Nachtruhe bei Hymenopteren“ von Fritz Schremmer, einem österreichischen Zoologen mit besonderer Liebe zu blütenbesuchenden Insekten (1913 – 1990),  habe ich diese Erklärung gefunden:

„(…) besonders ab Monat August, findet man nicht selten Hummelmännchen an verschiedenen Blumen übernachten, meist an Distelköpien oder Knautien, seltener an Umbelliferen (…) ; sie bleiben auch bei Regen und kühlem Wetter an ihnen sitzen. Diese Hummelmännchen zeigen bei Störung ein sehr charakteristisches Abwehrverhalten. Sie drehen sich so stark seitlich, daß sie fast in Rückenlage kommen und spreizen Mittel- und Hinterbeine möglichst weit vom Körper ab, sperren die Mandibeln und krümmen das Abdomen, als ob sie stechen könnten; dabei lassen sie ein starkes Summen ertönen. Die Hummelmännchen verlassen das Nest anfangs nur vorübergehend, um Ausflüge zu machen. Nach einigen Tagen kehren sie jedoch nicht mehr in ihr Stammnest zurück und verbringen weiterhin ihr Leben ohne feste Behausung; um sie handelt es sich, wenn wir ruhende Hummeln an Blumen antreffen.“

„Wie Männer an der Bar eines Pubs“

Dave Goulson, britischer Insektenforscher und Artenschützer, schreibt in dem Buch über Hummeln „Und sie fliegt doch“ aus dem Jahr 2013 Folgendes zu den Männchen:

„Nachdem sie ihre Puppenhülle verlassen haben, ruhen sich die neu entwickelten Männchen und Königinnen einige Tage aus und ernähren sich von den Honig- und Pollenvorräten. Manchmal verlassen sie das sichere Nest zu kurzen Erkundungsflügen und bald schon für immer. Den Drohnen ist ein kurzes Leben beschieden, denn das Ende des Sommers naht und sie haben keine Chance, den Winter zu überleben. Ihre einzige Aufgabe ist die Paarung. Im Hochsommer kann es sehr viele Männchen geben. Sie sitzen auf den Blumen und trinken Nektar; sie bevorzugen Blumen mit großen, kräftigen Blüten, wie etwa Disteln und Flockenblumen, und oft sieht man sie in Grüppchen, wie Männer an der Bar eines Pubs.

Die Paarung von Hummeln ist eine ziemlich mysteriöse Angelegenheit (…). Selbst bei sehr verbreiteten Hummelarten sind wir nicht sicher, wie Drohnen und Königinnen zueinander finden, da man den Paarungsvorgang so selten beobachten kann.“

Aus der Berichterstattung anderer Balkongärtner und Insektenfreunde weiß ich, dass sich Hummelmännchen nicht nur auf die von den beiden Wissenschaftlern genannten Blumen setzen, sondern beispielsweise auch auf Lippenblütler wie zum Beispiel auf Steppensalbei oder Dost.

Steinhummel-Drohn übernachtet auf der Blüte einer Gelben Skabiose.
Steinhummel-Drohn übernachtet auf der Blüte einer Gelben Skabiose (Scabiosa ochroleuca) auf dem Wilden Meter.

Wie erkennt man Hummelmännchen?

Ich kann die Männchen von den Arbeiterinnen auch nur bei den Arten unterscheiden, bei denen es einfach ist, zum Beispiel bei den Steinhummel-Drohnen. Die haben auch einen roten Popo, aber im Gegensatz zu den weiblichen Arbeiterinnen ein gelbes Band hinter dem Kopf und gelbe Haarbüschel im Gesicht. Bei manchen Arten kann man es auch an der Größe unterscheiden. Es finden sich gute Hummel-Steckbriefe im Internet, wo man sich die Männchen anschauen kann. Man findet sie zum Beispiel hier: https://www.wildbienen.de/huarten.htm

Männchen haben auch keine Pollensammelvorrichtung am Bein. Aber da muss man sich schon besser auskennen, um das zu sehen (ich kann das nicht). Umgekehrt ist es einfacher: Trägt das Tier Pollen am Bein, ist es mit Sicherheit kein Männchen.

Im Freien übernachten in der Regel auch nur Männchen meines Wissens, außer ein Weibchen würde von Regen oder Temperatursturz überrascht, so dass es nicht mehr ins Nest zurückkommt oder wenn es wegen Nahrungsmangel zu schwach ist. In der Regel kann man aber davon ausgehen, dass eine Hummel, die im Sommer auf einer Blüte übernachtet, ein unbehaustes Männchen ist.

Steinhummel-Drohn übernachtet auf der Blüte des Steppen-Salbeis.
Steinhummel-Drohn übernachtet auf der Blüte des Steppen-Salbeis auf dem Wilden Meter. Auf dem Foto kann man schön die gelbe Gesichtsbehaarung erkennen.

Es folgen hier noch Fotos von befreundeten (Balkon-)Gärtnerinnen von Hummelmännchen, die auf Blüten übernachten.

Schlafendes Erdhummel-Männchen auf Ysop
Schlafendes Erdhummel-Männchen auf Ysop auf einem Wildpflanzen-Balkon in Bielfeld. Foto: Katrin Wittek
Schlafendes Hummel-Männchen auf einer Fetthenne einem Wildpflanzen-Balkon in Bielfeld. Foto: Katrin Wittek
Ebenfalls auf dem Bielefelder Natur-Balkon: Männlicher Hummel-Schlafgast auf einer Fetthenne. Foto: Katrin Wittek
Schlafendes Hummelmännchen an einer Rispen-Flockenblume (Centaurea stoebe). Foto: Margret Artzt
Schlafendes Hummelmännchen an einer Rispen-Flockenblume (Centaurea stoebe) in einem Garten in Nordhessen, Juli 2022. Foto: Margret Artzt
Schlafende Hummelmännchen an einer Blüte der Färberkamille. Foto: Margret Artzt
Daneben im selben Garten: Schlafendes Hummelmännchen auf der Unterseite einer Blüte der Färberkamille (Anthemis tinctoria), Juli 2022. Foto: Margret Artzt
Schlafende Hummelmännchen in einer Blüte der Stockrose. Foto: Margret Artzt
Und nicht weit entfernt in einer Blüte der Stockrose (Alcea rosea): weitere schlafende Hummelmännchen, Juli 2022. Foto: Margret Artzt
Erdhummel-Maennchen auf Kugeldistel c Anja Röder
Männchen der Hellen Erdhummel (vermutlich) übernachten auf einer Kugeldistel (Echinops) in einem Garten in Wächtersbach bei Frankfurt a. M., 15. Juli 2022. Foto: Anja Röder
Erdhummel-Männchen auf einer fast verblühten Blüte des Garteneibisch am frühen Vormittag.
Schlafgäste in einem Garten im Münchner Stadtviertel Neuhausen: Erdhummel-Männchen auf einer fast verblühten Blüte des Garteneibisch (Hibiscus) am frühen Vormittag, 17. Juli 2022. Foto: Petra Maier
Erdhummel-Männchen auf Wasserdost
Übernachtende Erdhummel-Männchen auf einem naturnah bepflanzten Balkon in Hannover, die auf Wasserdost-Blüten (Eupatorium cannabinum) abhängen, 2. August 2016. Siehe auch Link unten. Fotos: Almuth Dietrich

Mehr Informationen:

Goulson, Dave (2014): Und sie fliegt doch: Eine kurze Geschichte der Hummel. Original (2013): A Sting in the Tale. Carl Hanser Verlag

Schremmer, Fritz: Beobachtungen über die Nachtruhe bei Hymenopteren, insbesondere die Männchenschlafgesellschaften von Halictu

Blog „Natur auf dem Balkon“: Männer, die abhängen. Von Almuth Dietrich

7 Kommentare zu “Männer ohne feste Behausung

  1. Ich werde die Augen offen halten … Liebgruss!

  2. So schön zu lesen, ja, hab ich auch. Und sie schlafen direkt „im Pub“, nämlich an den Agastachen, die sind höchstlichst begehrt zum Bechern und Schlafen :-).

  3. Ein sehr schöner Artikel! Jaja, die armen Kerle – oder die Glücklichen. Nicht arbeiten, nur abhängen. Ich sah das auch eines Tages bei mir auf dem Balkon. Es war regnerisch (damals) und eine kleine Gruppe Erdhummeldrohnen hing im Wasserdost ab. Das Gute ist ja, daß sie dann gleich an der Nektarquelle sitzen 🙂 Die Tage saß hier ein Steinhummelmännchen fest. Niedlich, diese Übernachtungsgäste. Außer den Glockenblumen-Scherenbienen, die in den Glockenblumen übernachten, konnte ich sonst leider noch keine Wildbienen als Schlafgäste bewundern. Hattest du da schon mehr Glück? Schön bunt deine Balkonwiese 🙂 LG aus dem trockenen Norden
    Almuth

    • Wilder Meter

      Liebe Almuth, außer Glockenblumen-Scherenbienen und Hummelmännchen habe ich auch noch keine anderen Wildbienen-Schlafgäste bei mir gefunden. Die Balkonwiese ist so bunt, weil ich fleißig gieße. Mein Blutweiderich blüht auch noch 🙂 Meine Flächen unten im Arnulfpark sind nach der Mahd Ende Juni total verdorrt, braun. Den Hochstaudensaum hat leider auch jemand einfach abgesäbelt (neuer Hausmeister?) da blüht es dann eigentlich ab Juli schön weiter. Sieht jetzt ein bisschen aus wie in Spanien im Sommer. Falls Du Fotos von Deinen schlafenden Hummelmännchen hast, würde ich die unter dem Artikel ergänzen. Liebe Grüße, Katharina

      • Schade mit den Stauden und wie ärgerlich! Hier sieht es auch überall nach Steppe aus. Die Stadt hat dieses Jahr unter den Straßenbäumen (also nicht meine Baumscheibe) nicht alles abgemäht, sondern kleine Blumeninseln stehen lassen, zum Beispiel Klee oder was da sonst gerade blühte. Ein Fortschritt! Die extreme Trockenheit hat inzwischen das meiste dahingerafft. Mancherorts kommen Leguminosen und auch der Pippau oder Ferkelkraut geben nicht auf 😁
        Auf der neuen Blumeninsel hinterm Haus, wo die Wildblumen gesät wurden, blüht noch jede Menge, aber dank Hitze sind die Flockenblumen langsam durch. Die Wilde Möhre hält sich noch, verblüht aber auch langsam. Wirklich tapfer! Ich muß mal gucken wegen der Hummeln. Ich glaube, die hingen im Regennassen Dost nach der Nacht. Ist noch ein alter Beitrag von 2016 mit der alten Kamera. Da sind die Fotos nicht sooo gut.
        https://naturaufdembalkon.wordpress.com/2016/08/02/das-hummelhotel-erwacht/
        LG aus Hannover
        Almuth

        • Wilder Meter

          Ha ha, Männer, die abhängen – fast der gleicht Titel! Eins von den Fotos wäre super! Ich verlinke gleich noch unter dem Artikel auch auf deinen Post. Danke dafür!

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