Balkonbesuche Rubrik Wildpflanzen

Balkonbesuch: Bei Bernd in Wuppertal

Balkonbesuch bei Bernd in Wuppertal

„Mut zum unperfekten Balkon“, ist die Devise von Bernd, den ich bei den Naturgartentagen im Februar dieses Jahres in Heidelberg kennengelernt habe. Sein Naturkleinstgarten in Blumenkästen ist nun etwa ein Jahr alt. Beim heutigen Balkonbesuch erzählt er von seinen Erfahrungen und stellt uns auch noch ein interessantes Blümchen vor, das wohl den wenigsten bekannt sein dürfte.

„Nach Wuppertal bin ich durch meine Frau gekommen, derzeit bin ich Mitarbeiter in einem konventionellen Garten- und Landschaftsbaubetrieb. Naturnah geht es dort selten zu, nur wenn mal eine Blumenwiese gewünscht ist oder tatsächlich die Verwendung heimischer Pflanzen. Durch landwirtschaftliche Tätigkeiten und Garten- und Landschaftsbau ist mir das theoretische und praktische Gärtnern auf der Fläche näher als das Wirken auf dem Balkon. Es sollte aber unbedingt losgehen im Frühjahr 2019. Was also tun? Den Perfektionsanspruch beiseite legen und bei der Versandgärtnerei Strickler das Pflanzenpaket „Stauden für den schattigen Balkon“ bestellen, mengenmäßig angepasst.

Der Balkon hat eine südöstliche Ausrichtung zur Straße, auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen aber hohe Bäume. Von der Sonne direkt beschienen wird der Balkon etwa von 10 bis 14 Uhr. Das ist nicht wirklich schattig, doch dazu später mehr.

Viel Lava

Unsere vorhandenen Standard-Blumenkästen mit etwa 14 cm Tiefe und Höhe befüllte ich unten etwa 2-3 cm hoch mit Lavabruch, als eigentliches Pflanzsubstrat kam darüber eine Mischung aus torffreier Pflanzenerde und Lavabruch. Mit Letzterem habe ich es sehr gut gemeint, das wurden deutlich mehr als die empfohlenen 25 Prozent. Das Einpflanzen war dadurch – nun ja, wie soll ich sagen – suboptimal. Mittlerweile würde ich ich die Beimischung von lehmigem Sand bevorzugen. Durch die Drainageschicht unten konnte ich die aus den Töpfen genommenen Pflanzen nicht sehr tief setzen. So konnte ich die Ballen nach dem Abrandeln kaum wieder abdecken. Fand ich nicht so tragisch, könnte aber den ein oder anderen  Ausfall mit bedingt haben. Das sehr bayrisch wirkende Wort Abrandeln habe ich übrigens bei Katharina gelernt. Gemeint ist die Entnahme der obersten Bodenschicht der gelieferten Topfplanze zur Vermeidung von Unkraut, das eventuell aus Versehen mitgeliefert wurde. [Anm. d. Red.: Ich habe es von Staudengärtnerin Susanne Spatz-Behmenburg gelernt. Siehe Beitrag: Susannes Staudentipps: Stauden richtig einpflanzen]

Drainagelöcher an der Seite des Balkonkastens
Nachträglich wurden Drainagelöcher in die Seite des Balkonkastens gebohrt.

Die unperfekte Entwicklung

Die Pflanzen haben sich nicht optimal entwickelt, die eine oder andere Art hat sich sogar verabschiedet. Als Ursache hatte ich zwischendurch den Lavakies in Verdacht, ich erfuhr jedoch, dass Pflanzen sogar auf reinem Lavabruch zurechtkommen, zum Beispiel als Dachsubstrat. Ein Jahr später, also jetzt im Frühjahr 2020, habe ich die Drainage optimiert indem ich seitlich in Bodenhöhe Löcher in die Balkonkästen gebohrt habe (siehe Fotos). Damit hoffe ich auf eine Verbesserung; eines kann ich aber auf jeden Fall sagen: je mehr Substrat eine Pflanze zur Verfügung hat desto besser. Wählt Eure Balkonkästen so hoch wie möglich, noch besser sind Einzelbehälter! Wichtig ist mir, dass die Pflanzen wenig Wasser brauchen. Es hat sich herausgestellt, dass reichliches Gießen ab und zu besser ist als öfter kleine Mengen. (Wir denken mittlerweile, dass die Schwierigkeiten damit zusammenhängen, dass wir zu kleine Mengen gegossen haben.)

Links: Frisch bepflanzte Kästen im April 2019. Rechts: Kästen und Töpfe ein Jahr später im Mai 2020.
Links: Frisch bepflanzte Kästen im April 2019. Rechts: Kästen und Töpfe rund ein Jahr später im Mai 2020.

Die Pflanzenarten im Einzelnen:

– Herbst-Alpenveilchen (Cyclamen hederifolium). Das erste Exemplar ist nicht angewachsen. Mit einem Gelben Lerchensporn ist als blinder Passagier ein weiteres Pflänzchen gekommen. Mal sehen in welcher Farbe das blüht.

– Stinkende Nieswurz (Helleborus foetidus). Stinkt nicht. Sah mickrig aus, wenige Blätter oben an einem nackten Stiel. Blühte ein wenig im Frühjahr, um sich mitten in der Blüte völlig zu verabschieden.

– Gefleckte Taubnessel (Lamium maculatum). Das erste Exemplar mickerte ebenfalls rum und überlebte den Winter nicht. Bei der beruflichen Arbeit („Unkraut jäten“) habe ich ein neues Exemplar gefunden und „gerettet“. Vergeblich, so etwas mag diese Art gar nicht.

– Gelber Lerchensporn (Pseudofumaria lutea). Das erste Exemplar wollte nicht. Das zweite kam mit Herbst-Alpenveilchen im Gepäck (siehe oben) und bekam einen Platz im Tontopf.

– Alpen-Frauenmantel (Alchemilla alpina). Wuchs im ersten Jahr nicht viel, sieht jetzt ganz gut aus.

– Ästige Graslilie (Anthericum ramosum). Hatte im ersten Jahr zwei Blütenständchen, dieses Jahr kommt wohl mehr. Nichts für Ungeduldige.

– Mauer-Zimbelkraut (Cymbalaria muralis). Ich liebe die kleinen Blüten. Hat sich gut ausgesamt, auch in das Beet unter dem Balkon. Von dort habe ich Material hochgeholt und zu der alten Pflanze gesetzt, da diese nur wenig frische Triebe hatte. Im Gegensatz zur Gefleckten Taubnessel: überhaupt kein Problem.

– Blutroter Storchschnabel (Geranium sanguineum). Sieht wie die Graslilie im zweiten Jahr besser aus.

– Schneeweiße Hainsimse (Luzula nivea). Unspektakulär. Robust. Schön.

– Wiesen-Schlüsselblume (Primula veris). Mag eigentlich Kalk, das fehlt im Balkonkasten. Von natürlichen Standorten – Leberblümchen unterhalb von Blockschutthängen – weiß ich, dass kalkliebende Pflanzen bei guter Versorgung mit Mineralien auch ohne Kalk zurechtkommen können. Von den zwei Exemplaren bei uns sieht eines gut aus und blüht, das andere will erst noch wachsen.

– Bei der Arbeit habe ich noch eine verwilderte Hybrid-Schlüsselblume mit kurzen Blütenstängeln gefunden (vermutlich Primula vulgaris x). Die braucht deutlich mehr Wasser und zeigt dies immer wieder durch hängende Blätter an, die sich nach dem Gießen wieder aufrichten.

– Schnittlauch (Allium schoenoprasum). Zugang vom letzten Sommer. Versuch einer Sonnenpflanze – und siehe da, macht sich wunderbar. Solange die Mittagsonne direkt auf die Pflanzen scheint, genügt das offensichtlich.

– Dalmatiner Glockenblume (Campanula portenschlagiana) . Macht sich ebenfalls gut. Haben wir einmal original in violett, einmal in weiß. Die weiße ist weniger kräftig.

– Da ist übrigens gerade ein Plätzchen frei, dort wo die Nieswurz stand  –  für Heidenelke (Dianthus deltoides). Eine weitere Lieblingspflanze. Ist bestellt. Hatte ich mich bisher nicht getraut wegen der kurzen Sonnenstunden, aber jetzt schon. Es wächst das Wissen und es wächst die Erfahrung. Ich bin nicht mehr auf Paketvorgaben angewiesen und werde experimentierfreudig.

Last but not least hat eine kleine Art Einzug auf dem Balkon gehalten die ich beim Jäten neben einem Parkplatz „gerettet“ habe: die Rote Schuppenmiere (Spergularia rubra). (Wikipedia-Eintrag: Rote Schuppenmiere) Eigentlich müsste sie Rosa Schuppenmiere heißen, unter Rot stellt man sich doch etwas anderes vor. Dieses Pflänzchen muss man wirklich von Nahem betrachten, erst dann kommen die dünnen Blättchen und vor allem die sternförmigen Blütchen zur Geltung. Ich liebe es. Doch obacht: Nur bei hellem Wetter und in der Zeit von 9–15 Uhr sind die Blütchen geöffnet. Da bleibt Werktätigen nur das Wochenende. Um mal über den Balkon hinaus zu denken: für mich eine ideale Kandidatin für Blumenschotterrasen, besonders wenn kein Kalk enthalten ist (Bodenverdichtungs- und Versauerungszeiger). Sie hat enorm ausgesamt, ich habe mit einer Pinzette einige Keimlinge in Anzuchttöpchen umgesetzt und hoffe dass ich diese bald an interessierte Naturgärtner*innen weitergeben kann.

Keimlinge der Roten Schuppenmiere
Schuppenmieren-Keimlinge zwei Wochen nach dem Umsetzen – es klappt!

Vorsicht Ansteckungsgefahr

Mittlerweile habe ich sogar schon andere Menschen animieren können, ihren Balkon ebenfalls mit Wildbblumen zu bepflanzen. Als Beispiel zeige ich im nächsten Bild einen Blumenkasten auf dem Balkon einer Bekannten, deren Stauden im Sommer des vergangenen Jahres Einzug gehalten haben und die dieses Frühjahr schon recht nett aussehen.

Wildpflanzen im Blumenkasten
„Angesteckter“ Balkon einer Bekannten

 

Machen!

Unser Balkon ist nichts Besonderes. Ich möchte mit meinem Bericht dazu anregen einfach anzufangen. Auch wenn manches nicht klappt, es macht enorm viel Freude und ist viel spannender als das übliche Balkongedöns. Jeder Quadratmeter zählt!

Über mich

Mein Name ist Bernd Vetterick, ich bin Jahrgang 1962 und habe ein wechselvolles Berufsleben erleben dürfen. Abgebrochenes Biologie-Studium, landwirschaftliche Ausbildung, Fortbildung zum Natur- und Landschaftspfleger, Mutterkuh- und Schafhaltung im Nebenerwerb, Jobs von Lackierfabrik in Deutschland bis Miesmuschelernte in Schottland, Vollständigkeit würde den Rahmen sprengen. Privat und beruflich habe ich mich immer wieder im Naturschutz engagiert; dass es aber auch eine Verbindung zum Gärtnern gibt, ist mir viel später aufgegangen, nämlich im Herbst 2018. Erst dann habe ich den Naturgarten e.V. kennengelernt und bin stante pede Mitglied geworden. Der Bestand an Fachbüchern ist seitdem rasant angestiegen.

Was mich umtreibt

Die fortschreitende ökologische Katastrophe mit einer unvorstellbaren Zahl von täglich mindestens 150 aussterbenden Tier- und Pflanzenarten macht mir sehr zu schaffen. Folgerichtig beteilige ich mich in der Wuppertaler Ortsgruppe von Extinction Rebellion, hier besonders bei der Einrichtung eines kommunalen Bürger*innenrates zum Klimathema. Bürger*innenräte mit zufällig ausgewählten Teilnehmenden sind zu vielen Themen möglich und sinnvoll. Mehr Informationen: www.buergerrat.de

Wuppertal, Mai 2020

Kontakt: b.vetterick@t-online.de


 

PS: Heute erreichte mich eine kleine Rote Schuppenmiere per Post:

Rote Schuppenmiere per Post
Rote Schuppenmiere (links in der Schachtel) und zwei kleine Mauer-Zimbelkraut-Pflänzchen aus Wuppertal. Danke Bernd!

5 Kommentare zu “Balkonbesuch: Bei Bernd in Wuppertal

  1. Schön, wie sich das entwickelt und was du für dich und deinen Balkon entdeckst. Von der Roten Schuppenmiere habe ich noch nie gehört! Spannend und wieder was dazugelernt. Ach ja, mit ein paar Töpfen und Kästen fängts an und jedes Jahr wirds dann mehr 🙂 Weiterhin viel Freude beim Balkongärtnern und viele spannende Insektenbesuche!

  2. Bettina

    Hallo Bernd, gute Idee, mal das Ganze mit Wildblumen anzugehen. Ich bin erst seit letztem Frühjahr Besitzerin eines Balkons, hab letztes Jahr nur „Fertiges“ gekauft, versucht, darauf zu achten, dass es gut für die Zweiflügler ist. In diesem Jahr ist der Balkon voller geworden, Vögel besuchen meine Futterstellen, Bienen haben schon Röhrchen belegt und nun habe ich das letzte Tüten von Katharina ergattert. Das wird am Wochenende ausgesät. Bin gespannt. Eigentlich sollte der Balkon zum Chillen für mich und die Fellis sein, jetzt ist da nicht mehr wirklich viel Platz…. Mal sehen, was wird. Gruß Bettina und die Gang

  3. Wie schön, wieder ein Naturgartenmitglied „kennenzulernen“ – *wink* in den Süden (ja, Wuppertal IST Süden!! *g*)

  4. Kirsten

    Was für ein sympathischer Bericht! Es geht eben alles auch im „Kleinen“! Das macht Mut und Lust gleichzeitig! (und nebenbei lernt man noch was, fast ohne es zu bemerken) Vielen Dank!

  5. Vielen Dank , Bernd & Wilder Meter!

    Das hat richtig gut getan, deine Balkongarten Vorstellung!!! Ja, es ist wichtig anzufangen!
    Schön auch dein Packerl…bin gespannt wie dein Zimbelkraut wächst… Werner David hatte so eines schönes am Balkon.

    Mir fehlt grad die Konzentration zum Schreiben!
    Liebe Grüsse Hortus Balkonien

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