Eidechsen Wilde Tiere

Überraschung im Blumentopf

Donnerstag, 13:00 Uhr, Mittagspause. Ich sitze mit einer Freundin im Café. Da trifft eine WhatsApp-Meldung meines Manns auf dem Handy ein: „Rate mal, was ich heute entdeckt habe …“ Kurz darauf kam das Foto hinterher. Eine Eidechse im Blumentopf (siehe großes Bild).

WhatsApp-Nachricht von meinem Mann.

Der erste Gedanke war natürlich: „Emmi lebt doch!“ Nachdem sie bis jetzt nicht auf dem Balkon war, hatten wir uns schon damit abgefunden, dass sie erfroren oder abgewandert ist. Mein Mann sagte mir aber, diese Eidechse sei sehr viel kleiner gewesen als Emmi. Außerdem war es der „falsche“ Balkon. Emmi hatte ihr Revier auf dem Wohnzimmer-Balkon, diese Eidechse war auf dem Büro-Balkon.

Als ich eine Stunde später nach Hause kam,  war das Eidechslein nirgends zu entdecken. Mein Mann hatte sie am Rand des Blumenkastens zuletzt gesichtet und noch einmal fotografiert (siehe nächstes Foto). Ich holte mir einen Stuhl und lehnte mich aus dem Schlafzimmerfenster, um die sonnenbeschienene Außenwand unseres Hauses überblicken zu können. Und tatsächlich, sie sonnte sich auf dem Stück Mauer zwischen Loggia und Dachvorsprung. Bis ich mit dem Fotoapparat wieder zurück war, war sie leider verschwunden. Bis heute haben wir sie nicht mehr gesehen. Vielleicht ist sie wieder nach unten geklettert oder sie wohnt auf einem anderen Balkon.

Das Eidechslein auf der Flucht vor meinem Mann, der es mit dem Handy fotografieren wollte. Es steuerte auf die Wand zu. Deshalb hatte ich die richtige Vermutung, dass es vielleicht noch draußen in der Sonne sitzen bzw. hängen könnte. Von Emmi wissen wir ja, dass die Mauereidechsen auf dem Rauputz die Wand senkrecht hinauf und hinunter laufen können.

 

Eine Eidechse, die den Winter überlebt hat

Auf jeden Fall muss es eine Mauereidechse sein, die überwintert und minus 15 Grad überlebt hat. Denn aus diesem Jahr gibt es noch keine jungen Tiere. „Die Phase der Paarbildung bei Mauereidechsen in Deutschland erstreckt sich von März bis Juni. (…) In Deutschland und den südlichen Niederlanden erfolgt die Eiablage in der Regel zwischen Mai und Mitte August“, schreibt Ulrich Schulte im Büchlein „Die Mauereidechse“ (Bielefeld, 2008). Dann dauert es in Mitteleuropa noch einmal sechs bis elf Wochen bis zum Schlüpfen. Die Mauereidechsen an der nahen Donnersberger Brücke sind ja seit 20 Jahren dokumentiert (siehe Beitrag „Emmi will hoch hinaus„). Sie scheinen sich in Richtung Arnulfpark so stark auszubreiten, dass wir nun erfreulicherweise schon die zweite Eidechse bei uns im fünften Stock begrüßen durften.

Bau der „2. S-Bahn-Stammstrecke“: Reptilienschutz

Die Zauneidechsen- und Mauereidechsen-Population direkt an der Donnersberger Brücke wird demnächst unruhige Zeiten erleben. Die jahrzehntelang diskutierte sogenannte zweite Stammstrecke der S-Bahn durch München wird gebaut. Die Streckenführung verläuft so, dass die Züge kurz hinter dem Arnulfpark, nahe der Donnersberger Brücke aus dem Untergrund an die Oberfläche kommen. Genau dort, wo sich die Reptilien aufhalten. Im Winter habe ich dort Reptilienschutzzäune gesehen und fotografiert (siehe nächstes Foto). Eine Blog-Leserin und Bahnangestellte konnte in Erfahrung bringen, dass diese im Zuge des Projekts „2. S-Bahn-Stammstrecke“ errichtet wurden. Auf der nördlichen Seite der Zäune ist eine Baustellenstraße geplant und auf der südlichen Seite befinden sich die Eidechsen. Durch die Zäune soll vermieden werden, dass die Tiere überfahren werden.

Die grünen Reptilienschutzzäune laufen in unterschiedlicher Entfernung zu den Gleisen stadtauswärts.

 

Auf der Website der Bahn heißt es dazu:

„Die Baustellen befinden sich überwiegend auf brachliegenden Bahnnebenflächen, die sich im Laufe der Zeit zu trocken-mageren Standorten entwickelt haben und als Lebensraum für wärmeliebende Tierarten wie der streng geschützten Zauneidechse dienen. In diesen Lebensraum wird mit dem Bau der 2. Stammstrecke eingegriffen. Daher müssen zur Kompensation des bau- und anlagenbedingten Verlustes Maßnahmen zum Schutz der Tiere und der Sicherung ihrer Lebensräume geplant werden. (…)

Was wurde im Einzelnen getan?

  • Die Sukzessionsvegetation („Verbuschung“) wurde beseitigt, um die mageren Standortbedingungen zu erhalten.
  • Magerrasen wurde angesät.
  • Als Versteck- und Überwinterungsmöglichkeit wurden Totholz- und Lesesteinhaufen angelegt.
  • Zur Eiablage für Reptilien wurden Sandlinsen geschaffen.

Die bestehenden Schotterflächen, die südexponierten Bahnböschungen sowie wertvolle Altbäume wurden bewusst belassen. Die Struktur (…) ist damit abwechslungsreich gestaltet und bietet nicht nur für Reptilien einen neuen Rückzugsraum. Zum Schutz der Maßnahme wurde diese durch mehrere Hinweisschilder gekennzeichnet.“

Mehr Informationen und Fotos zum Streckenverlauf der zweiten Stammstrecke und zu den Naturschutzmaßnamen der Bahn findet man hier:

Streckenverlauf zweite Stammstrecke (Das Winterfoto oben ist genau an der Stelle gemacht worden, wo die gestrichelte rote Linie – zwischen der S-Bahn-Station Donnersberger Brücke und S-Bahn-Station Hirschgarten – aufhört und die durchgehende rote Linie anfängt.)

Naturschutz zweite Stammstrecke

9 Kommentare zu “Überraschung im Blumentopf

  1. Patric Walther

    Wir haben das 2. Jahr kleine Eidechsen auf dem Balkon. Sind nicht größer als 4 cm vom Maul bis zur <Schwanzspitze. manchmal laufen sie gemütlich wackelnd durchs Wohnzimmer. Sehen süß aus mit ihrem Hüftschwung.

  2. Wunderbar, solchen Besuch auf dem Balkon zu haben! Gratuliere!

  3. Ortrud Wiedemann

    Vielleicht ist es ja doch Eure Emmi? Der Winterspeck ist vermutlich verzehrt? Ortrud

  4. Das ist ja toll. Dann muß euer Haus ja bald eine kleine Kolonie beherbergen, wenn das hier nicht Emmi ist. Aber wie schön! Das ist doch ein gutes Zeichen, daß sie warme Ecken und Winkel finden (von denen ihr vermutlich nichts ahnt ;-), wo sie überwintern können. Ich freue mich mit!!!

    • Redaktion

      Mein Mann hat gestern eine kleine Eidechse direkt vor der Haustür gesehen, die dann in die Büsche geflüchtet ist. Ich war leider wieder nicht da. Er hatte nun die Idee, dass die Mauereidechsen bzw. manche von ihnen vielleicht in der Tiefgarage überwintern. Das Tor ist ein Metallgitter. Durch die Lücken zwischen den Stäben könnten nicht nur Eidechsen, sondern auch größere Tiere schlüpfen. Und unten in der Tiefgarage gibt es sicher Ecken, wo so ein kleines Tierchen unbemerkt den Winter verbringen kann.

      • Das wäre doch möglich! Ich kann mir gut vorstellen, daß die in eurem Haus ihre Nische gefunden haben. Sonst würden dort ja nicht so viele Exemplare rumwuseln. Ist doch toll 🙂 Vielleicht gibts ja bei dir auf dem Balkon eine Exenhochzeit 😉

  5. Ne Balkoneidechse. Das ist ja super. Ich selbst hab schon ewig keine mehr gesehen.

  6. Gratulation zur erfolgreichen Überwinterung!

Hinweis: Ich freue mich über alle Kommentare und den Austausch mit Leserinnen und Lesern. Leider verschluckt das System aber die Kommentare manchmal und ich muss diese erst nachträglich online stellen. Ich bitte deshalb um Geduld und Verständnis!