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Die Stahlblaue Grillenjägerin: ein spektakulärer Neuzugang

Stahlblaue Grillenjägerin (Isodontia mexicana) mit einer Eichenschrecke als Beute an der Nisthilfe auf dem Wilden Meter

Vor ein paar Tagen saß ich, das Redaktionsmitglied Bombus urbanus, mit meinem Morgenkaffee auf dem Wilden Meter und genoss es, wie ein Trupp Mauersegler kreischend um die Häuser jagte. Da fiel mir auf, dass aus einer der Nisthilfen ein langer, trockener Grashalm ragte. Kann es sein? Tatsächlich! Der Wilde Meter verzeichnet ab sofort einen neuen Gast: Die Stahlblaue Grillenjägerin, genannt Isi, ist in diesem Sommer bei uns eingezogen.

Die Grillenjägerin Isodontia mexicana ist eine elegante, schwarz-blaue Erscheinung mit beneidenswert vollkommener Wespentaille. Sie ist eine große Grabwespe, deren ursprüngliche Heimat Mittel- und Nordamerika sind. In den 1960er Jahren wurde sie vermutlich zuerst in Frankreich eingeschleppt und verbreitete sich dann von dort aus über die Burgundische Pforte nach Deutschland. Vor ein paar Jahren sichtete man Isodontia erstmals in München. Und in diesem Sommer feiert sie Premiere auf dem Wilden Meter!

Ich habe Isi sofort in mein Herz geschlossen. Man kann ihren Anflug schon von weitem entdecken, wenn sie einen langen Grashalm für den Nestbau durch die Lüfte trägt. Es schaut aus, als würde eine kleine schwarze Hexe herbeireiten und auf dem Wilden Meter landen. Manchmal ist der Grashalm zu lang und das Wespchen wird samt seinem Grasbesen von der starken Thermik an der Hauswand abgetrieben. Dann bedarf es mehrerer Anflüge, um ins rettende Nest zu gelangen.

Die Stahlblaue Grillenjägerin (Isodontia mexicana) trägt einen Grashalm ins Nest.
Die Stahlblaue Grillenjägerin (Isodontia mexicana) trägt einen Grashalm ins Nest. Diese Grabwespe verwendet trockene Gräser und Stängel für die Wände zwischen den Brutzellen und den Nestverschluss.

Kleines Grillen-Einmaleins

Auch ansonsten muss Isodontia für ihren Nachwuchs schwer schuften. Die Grabwespe verproviantiert ihre Brut pro Zelle mit vier bis fünf gelähmten Heuschrecken oder Grillen. In Europa sind die Opfer vornehmlich Oecanthus (Weinhähnchen) und Meconema-Arten (Eichenschrecken), in München wurden aber auch schon Heimchen (Acheta Domesticus) in Nisthilfen gefunden. Ich konnte dieses Jahr rund um den Wilden Meter noch keine Weinhähnchen oder Heimchen hören, deren Gesänge doch recht charakteristisch sind. Folgerichtig hat Isi nach meinen Beobachtungen bisher nur Eichenschrecken eingetragen. Die Opfer werden mit einem Stich gelähmt. Oft sind sie nicht vollständig paralysiert, sondern können noch einzelne Körperteile wie Fühler oder Beine bewegen (vgl. Paul Westrich). Die unglücklichen Schrecken werden also von den Larven der Grabwespe bei lebendigem Leib verspeist.

Die Stahlblaue Grillenjägerin (Isodontia mexicana) im Anflug mit ihrer Beute, einer Eichenschrecke.
Heuschrecken als Kindernahrung: Die Stahlblaue Grillenjägerin (Isodontia mexicana) im Anflug mit einer erbeuteteten Eichenschrecke, die sie mit einem Stich gelähmt hat.

Die Brutzellen separiert Isodontia, indem sie trockene Grashalme zu Zwischenwänden verbaut. Meist kann man die Nester schon von weitem erkennen, da die Gräser der Schlusszelle etwas schlampig aus den Röhren hängen und im Wind hin und her flattern. Für Meisen oder Spechte ist die Grasfahne ein untrügliches Zeichen, dass es hier etwas zu holen gibt. Isi vom Wilden Meter ist allerdings eine Persönlichkeit, die auf Sauberkeit hält. Nach meiner Beobachtung sind ihre Nestverschlüsse sorgfältig gearbeitet und schließen noch vor dem Röhrenende ab. Sehr symphathisch. Sollten ihre Nachkommen diese reinliche Eigenschaft beibehalten, könnte dies ein evolutionärer Vorteil sein.

Flip ist ein Heimlichtuer

Auf den Fotos sieht man, wie Isi eine Eichenschrecke,  vermutlich die Südliche Eichenschrecke (Meconema meridionale), einträgt. Diese Art gehört zur Unterordnung der sogenannten Langfühlerschrecken. Sie ist ihrer Verwandten, der Gemeinen Eichenschrecke (Meconema thalassinum), sehr ähnlich. Auffällig ist, dass die langen Fühler bei den gelähmten Opfern fehlen. Hat sie Isi abgebissen, um die Beute besser in die Nisthilfe tragen zu können? Ich konnte dazu in der Literatur nichts finden.

Südliche Eichenschrecke (Meconema meridionale)
Männchen der Südlichen Eichenschrecke (Meconema meridionale) als skeptischer Zuschauer beim Bäumeschneiden im Garten meiner Eltern.

Die Südliche Eichenschrecke ist wie Isi eine Einwanderin aus Südeuropa. Ich finde sie ebenfalls sehr hübsch. Dem Aussehen nach ein freundlich, grüner Grashüpfer Flip. Der allerdings ein verborgenes, räuberisches Leben in Laubbäumen führt, ähnlich dem heimischen Verwandten, der Gemeinen Eichenschrecke. Beide Arten ernähren sich von Läusen und kleinen Raupen, die sie im Blattwerk finden. Nur für die Eiablage steigen die Weibchen eine Stunde nach Sonnenuntergang bis auf menschliche Augenhöhe am Baumstamm herab, um ihre Eier in der rissigen Rinde zu verstecken.

Charakteristisch ist für beide Schreckenarten auch, dass man sie so gut wie nie hört. Sie stridulieren nicht wie andere Grillen mit den Flügeln, um Weibchen anzulocken, sondern trommeln stattdessen mit den Hinterbeinen auf Blättern und Zweigen. Nur wenn der Untergrund zufällig resonant ist, kann man sie richtig vernehmen (siehe Hörbeispiel unten). Das klingt dann ein wenig gespensterhaft – und passt doch wiederum zur zauberhaften Natur der Blauschwarzen Grillenjägerin Isi.

Video: Isi bringt einen Grashalm ins Nest

Quellen und weiterführende Links:

Informationen, Bilddokumentation und Videos zu Isodontia Mexicana auf der Wildbienen-Seite von Paul Westrich

Hörprobe der Südlichen Eichenschrecke auf Orthoptera.org.uk: Zwei Männchen klopfen abwechselnd auf die Seiten eines leeren Kanisters.

Bellmann, H.: Der Kosmos Heuschreckenführer, Kosmos-Verlag, Stuttgart (2006)

Dietzel, Simon & Fischer, Christina. (2020). Ausbreitungsbewegung von Isodontia mexicana (SAUSSURE, 1867), der Stahlblaue Grillenjäger in Bayern: Weitere Nachweise aus dem Stadtgebiet von München (Hymenoptera: Sphecidae). 69. 98-99.

Witt, R.: Wespen, Vademecum Verlag, Oldenburg (2009)

6 Kommentare zu “Die Stahlblaue Grillenjägerin: ein spektakulärer Neuzugang

  1. Das ist eine wunderschöne Beschreibung dieser Wespenart. Ich bin gleich in meinem Garten auf die Suche gegangen, um diese Art zu finden. Leider kein Glück bisher gehabt.
    Es tummeln sich so viele Arten Insekten und Krabbeltiere herum, dass man die kleinsten Lebewesen, wenn man nicht speziell auf Suche geht, nicht sogleich sieht. Aber die Artikel des Wilden Meter sind so gut und lehrreich. Sie öffnen die Augen und somit auch das Interesse für unsere Mitbewohner unseres Planeten.

  2. Super-Fotos! Besonders Isi mit Beute.

  3. Brigitte

    Tolle Bilder und wie immer ein sehr interessanter Beitrag. Allerdings frage ich mich ob es schon als bewiesen gilt, dass diese exotische Wespe keinen negativen Einfluss auf das bestehende Ökosystem haben kann. Sie scheint ja sehr effektiv im Jagen und Nisten, da hätte ich doch etwas Sorge, dass sich ihre Ausbreitung negativ auf die lokale Biodiversität auswirken wird. Vielleicht hörst Du ja wegen ihr und ihren Artgenossinnen keine Weinhähnchen und Heimchen mehr?? 🤔

  4. Aaaaaaaaaaaaah danke ::-) – ich bin mächtig entzückt, nun einen Namen für den Schwarm dieser neu Gesichteten, die meine Mannstreu-Pflanzen heftigst umschwärmen und alles verjagen, was sich in die Nähe wagt. Sehr beeindruckend. Vielleicht mögen sie auch die Gräser, die ich auf meiner Dachterrasse habe – den Bronzefenchel scheinen sie auch zu mögen.

  5. Herzlichen Glückwunsch! Das ist ja wieder ein spannender Neuzugang. Echt schick, die Grabwespe und diesmal sogar was mexikanisches im Namen. Das hatten wir auch noch nicht würde ich sagen. Das mit dem Halm ist ja witzig. Eine ganz andere Bauweise.
    Deine Fotos sind toll. Hast du die mit dem Stativ gemacht? Ich glaube, daß ich die Südliche Eichenschrecke schon mal in der Wohnung hatte. Ich las damals, daß sie gerne auf Autos mitreist. Wer weiß, vielleicht dürfen wir diese Wespe dann auch bald im Norden begrüßen 😉 Schöner Beitrag! LG aus Hannover
    Almuth

  6. so schön ich deinen beitrag finde – er erinnert einen doch schmerzlich daran, daß die ganze natur ein einziges fressen und gefressen werden ist. 😉

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