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Blos a gloine Fläing – Nur eine kleine Fliege

Der Schriftsteller Eugen Oker wurde 1919 in Schwandorf in der Oberpfalz geboren und starb in München 2006. Hauptsächlich in den Jahren zwischen 1959 und 1965 schrieb er Gedichte in seiner Oberpfälzischen Mundart, die zu den nordbaierischen Dialekten gehört. Eines hat er einer kleinen Fliege gewidmet. Es beleuchtet die Beziehung von Mensch und Fliege und kann als dichterischer Nachtrag zum letzten Blogbeitrag gelesen werden (Übertragung ins Hochdeutsche folgt unter dem Originaltext).

Blos a gloine Fläing

wos isn scho a fläing

b fläing
homa gleand en da schul
san a ungezifa

dou giz fläingfenga
foabiche kugln
schbrizn
allas gecha b fläing

kina de scho afrend
bals umanandasuan
en da schdum

dou bisd frou
bal sa se fofanga
an fläingfenga
bal sa se af a so ara foabiche kugl
affehogga
und afar a mal owafaln
und fregga

und bals zu ohawe wean
mid earan suan und suma
dou nimsd a zeidung
falzdas zam en da middn
und luasd
bis se bfläing
an d wend hihogd
nou hausd as zo an baaz
des greid de

owa

dou hogd a gloine fläing
zuföle
af an blal
fo an blumaschodg
und schloufd

du hoxd danem en dein sässl
und sixd as
däi fläing däi gloine

uns maxd mid dein finga an schnalza
und schnalzd däi fläing
däi gloine
wou gschlufa houd
af aran blal fo dein blumaschdog
mid aran fingaschnalza
schzald da s wägg

und dou sixd af aramal
wäi a gloine fläing
fazong und schäbs
afm kanabe
umanadagräichd

wäis growld
und fasouchd
das sei leem redd
fo dein fingaschnalza

dou sixd wäis deimld
wäis nima fläing ko
wäis gräichd en zizag afm kanabe

blos a fläing
a gloine fläing
und du schausd ia zou
bis en ara schbalddn
fo den kanabe
faschwind

owa du hoxd und glozd und glozd
und hosd angst
das wida assakumd
däi fläing
und angsd
das nima assakumd
sondan farregd
däi gloine fläing
en deara schbalddn fo dein kanabe.



Nur eine kleine Fliege

Was ist denn schon eine kleine Fliege?

Die Fliegen
haben wir gelernt in der Schule,
sind ein Ungeziefer.

Da gibt es Fliegenfänger,
farbige Kugeln,
Spritzen:
alles gegen Fliegen.

Können dich schon aufregen,
wenn sie umhersurren
in der Stube.

Da bist du froh, wenn sie sich verfangen
am Fliegenfänger,
Wenn sie sich
auf so eine farbige Kugel
hinaufhocken
und auf einmal herabfallen
und verrecken.
Und wenn sie zu wanzig werden
mit ihrem Surren und Summen,
da nimmst eine Zeitung,
faltest sie zusammen in der Mitte
und lauerst, bis sich die Fliege
an die Wand hinhockt.
Dann schlägst sie zu Brei.
Das freut dich.

Aber:

Da sitzt eine kleine Fliege
zufällig auf einem Blatt
eines Blumenstocks und schläft.

Du sitzt daneben in deinem Sessel
und siehst sie,
die kleine Fliege, die kleine.

Und machst mit deinem Finger einen
Schnalzer
und schnalzt die Fliege,
die kleine, die geschlafen hat auf einem
Blatt auf deinem Blumenstock,
mit einem Fingerschnalzer
schnalzt du sie weg.

Und da siehst du auf einmal,
wie eine kleine Fliege,
verzogen und schief
auf dem Kanapee umherkriecht,
wie sie krabbelt
und versucht,
ihr Leben zu retten
von deinem Fingerschnalzer.
Da siehst du, wie sie taumelt,
wie sie nicht mehr fliegen kann,
wie sie kriecht im Zickzack auf dem
Kanapee.

Bloß eine Fliege,
eine kleine Fliege.
Und du schaust ihr zu, bis sie in einer Spalte
von dem Kanapee
verschwindet.

Und du hockst und glotzt und glotzt
und hast Angst,
daß sie wieder herauskommt,
die Fliege, und Angst,
daß sie nimmer herauskommt,
sondern verreckt,
die kleine Fliege in dieser Spalte von
deinem Kanapee.

Aus: So wos schüins mou ma soucha. Gedichte im Oberpfälzischen Dialekt der bairischen Mundart, 2010. Erstausgabe 1977

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Verlags:

Büro Wilhelm. Verlag
Koch-Schmidt-Wilhelm GbR
Lederergasse 5-7
92224 Amberg
Telefon +49 (0) 9621 33316
Telefax +49 (0) 9621 33327
www.buero-wilhelm.de
verlag@buero-wilhelm.de

Information zum Buch beim Verlag: so wos schüins mou ma soucha, Eugen Oker

Zum zehnjährigen Todestag erschien ein Beitrag beim Bayerischen Rundfunk:
Eugen Oker – Oberpfälzer Dichter und Spieleerfinder

 

1 Kommentar zu “Blos a gloine Fläing – Nur eine kleine Fliege

  1. Brigitte

    Ein schönes Gedicht, ein schöner Dialekt – und so buchstabengetreu wiedergegeben. Wahrscheinlich könnte ich es nicht verstehen, wenn ich nicht auch in der Oberpfalz gelebt hätte. Das macht aber nichts, im Gegenteil. Die lokalen Besonderheiten sollen hochleben. Ich kannte den Dichter gar nicht – danke für den Tipp!

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