Auf den Tag genau sechs Wochen nach der Aussaat meiner einjährigen „Wildblumen-Mischung für Wildbienen“ haben sich am 5. Mai die ersten Ackersenf-Blüten (Sinapis arvensis) geöffnet. Auf dem Samentütchen steht: „Erster Flor nach ca. 8 – 12 Wochen“. So war es auch in den Jahren 2014 bis 2017. Dieses Jahr habe ich wegen der Frostperiode erst am 25. März gesät, aber nach dem Märzwinter kam der Aprilsommer und die Pflänzchen haben – vermutlich wegen der warmen Witterung – die Aussaatverspätung von zwei Wochen aufgeholt. Die Deutsche Bundesbahn kann neidisch sein, da werden Minuten zum Problem.
In flore essere
Der Duden sagt, „Flor“ ist ein Wort der gehobenen deutschen Sprache für „Blüte“ und kommt von dem Lateinischen Ausdruck „In flore essere – in Blüte stehen“. Das zugrundeliegende liegende lateinische Substantiv „flos (floris)“ für „Blume, Blüte, Knospe“ findet sich auch im französischen „fleur“, im englischen „flower“ und im italienischen „fiore“ (vgl. Duden Herkunftswörterbuch, 4. Auflage, 226f). Sehr hübsch finde ich die ebenfalls erwähnte italienische Verkleinerungsform „fioretto“ für ein kleines Blümchen. Mehrere Blümchen, die „Fioretti“, klingen schon wie Süßigkeiten, ähnlich wie die kleinen Makronen, die Amaretti, die zum Capuccino serviert werden.
Ich wurde in den 70er- und 80er-Jahren in einem bayerischen Gymnasium bedauerlicherweise mit Latein als erster Fremdsprache aufs Leben vorbereitet. Noch in der elften Klasse hatten wir fünf Wochenstunden Latein, drei Wochenstunden der zweiten Fremdsprache Englisch und eine Wochenstunde Wirtschaft. Noch besser konnte man eigentlich gar nicht an den Bedürfnissen der Realität und unserer Zukunft vorbeiplanen, oder? Zu allem Überfluss machte mir Latein auch noch mehr Spaß als Wirtschaft. Meine persönliche Disposition verstand leider auch nichts vom Ernst des Lebens.
Besser BWL, denn „Pecunia non olet“ (Geld stinkt nicht)!
„Die Zuerkennung des Latinums setzt die Fähigkeit voraus, ‚lateinische Originaltexte im sprachlichen Schwierigkeitsgrad inhaltlich anspruchsvollerer Stellen (bezogen auf Bereiche der politischen Rede, der Philosophie und der Historiographie) in Inhalt, Aufbau und Aussage zu erfassen‘, im Wesentlichen also Texte von Cicero“, schreibt der Ministerialrat Dr. Kussel 2008 an alle Bayerischen Gymnasien. In späteren Jahren habe ich häufig überlegt, mein „Cicero-Latinum“ auf ebay im Tausch gegen etwas Lebenspraktischeres wie BWL-Kenntnisse anzubieten. Bis sich endlich 2013 mit meinem Naturbalkon ein Bereich auftat, in dem bei mir die didaktisch notwendige „affektive Komponente“ für den zu erlernenden Stoff gegeben war: die Sympathie und das Interesse. Kurz: Ich lerne sehr gerne die lateinischen Namen der Fioretti auf meinem Balkon auswendig, nicht zuletzt weil es meistens viele deutsche Namen für eine Pflanze gibt und der lateinische Name sie eindeutig identifiziert.
Ackerwildkräuter
Die sogennante „Binäre Nomenklatur“, also das zweiteilige wissenschaftliche Namensschema für die Bezeichnung von Arten, nennt im ersten Wort die Gattung, im zweiten die Art. Jede solche Kombination darf nur einmal vergeben werden, so ist sie eindeutig. Dieses System geht auf den Botaniker Carl von Linné (1707-1778) zurück. Drei Pflanzen im Syringa-Samentütchen tragen in ihrem wissenschaftlichen Namen im zweiten Teil das lateinische Wort „arvensis„: die Acker-Ringelblumen (Calendula arvensis), der Acker-Senf (Sinapis arvensis) und die Acker-Hundskamille (Anthemis arvensis). „arvensis“ bedeutet, wie sich nun leicht erraten lässt, „auf dem Acker wachsend“. Blühende Pflanzen, die zwischen den Feldfrüchten wachsen, werden auch als „Ackerwildkräuter“ bezeichnet. Aus Sicht des Bauern sind es störende „Unkräuter“, aus Sicht einer Vielzahl heimischer Insekten bieten sie Lebensraum und Nahrung.
„Durch die intensive Landwirtschaft geht die Vielfalt der Ackerwildkräuter in den letzten Jahren immer stärker zurück. (…) Die auf diesen Standorten typischen „Unkräuter“ gehören inzwischen zu den seltenen und gefährdeten Pflanzenarten“, schreibt die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft und führt zusammen mit dem Bund für Naturschutz seit 2014 einen „Ackerwildkraut-Wettbewerb“ durch. Die Ackergifte, mit denen die Unkräuter beseitigt werden, heißen „Herbizide“ und werden als sogenannte „Pflanzenschutzmittel“ verkauft, z. B. vom Agrarkonzern Bayer. Geschützt werden soll die Nutzpflanze. Auch hier hilft Latein weiter: „herba“ heißt „Kraut“ oder „Gras“ und „caedere“ bedeutet „töten, vernichten“.
Die ersten blühenden Acker-Wildkräuter auf dem Wilden Meter
Links zu diesem Artikel:
Der Ackerwildkraut-Wettbewerb der Landesanstalt für Landwirtschaft
Bayer CropScience Deutschland GmbH: Herbizide in der Landwirtschaft und Pflanzenschutz
Binäre Nomenklatur auf www.spektrum.de
Sehr interessant!
Liebe Frau Heuberger, der ist ja wirklich toll! Kommt auf meine Wunschliste:0) Ich habe dieses Jahr erstmals einen Stachys officinalis in den Kasten gepflanzt und bin gespannt, ob es ihm dort gefällt. Ich habe als Substrat torffreie Hochbeeterde ausprobiert, von der ich hoffe, dass sie einigermaßen gut strukturstabil ist und ausreichend Wasser speichert.
Hallo! Was ist das denn für eine Pflanze im neuen Header Bild? Also, ich meine die mit den weißen Blüten einer Lamiaceae?
Liebe Frau Oppermann, das ist ein Aufrechter Ziest (Stachys recta). Ich habe ihn in einem Topf mit Dachgartensubstrat intensiv außen am Balkon hängen. Im Topf ist er nur 25 cm hoch geworden. Ich werde demnächst einen Beitrag über die Stauden auf meinem Balkon schreiben, bin nur noch nicht dazu gekommen. Der Aufrechte Ziest ist neu, ich habe ihn im März von der Staudengärtnerei Spatz & Frank gekauft.