Honigbienen Wilde Tiere Wissenschaft

Die Lobby der Honigbiene

Stirbt die Honigbiene bald aus? Ich glaube nicht.  Gefährdet ist eher die Existenz mancher Imker. Beides hängt damit zusammen, dass die Biene Maja schon lange kein Wildwesen, sondern ein Nutztier ist.

Ich freue mich über jedes Honigbienchen, dass meinen Balkon besucht. Begeistert habe ich das Buch „Bienendemokratie“ des amerikanischen Biologen Thomas D. Seeley gelesen, der aufbauend auf den Arbeiten des Münchner Zoologen Karl von Frisch (Tanzsprache) und dessen Schüler Martin Lindauer (Schwarmverhalten) entschlüsselt hat, wie ein Bienenvolk kollektiv und im Konsens wichtige Entscheidungen fällt, die das Schwärmen und die Suche nach neuen Nistplätzen betreffen. Auch mich fasziniert die unendlich komplexe Lebenswelt des „Superorganismus“ Bien.

Die Bio-Imkerei Barthuber aus dem Chiemgau hatte im vergangenen Jahr während der Lindenblüte im Sommer Bienenvölker auf einem Ausgleichsrareal neben der S-Bahn-Station Donnersberger Brücke aufgestellt.

Gleichwohl beschleicht mich manchmal der Gedanke, dass die hübschen goldgelben Wesen auf meinem Balkon (über)mächtige Nahrungskonkurrenten meiner solitären Wildbienen sein könnten. (Nicht in diesem Jahr. Da summt kaum eine vorbei. Ich nehme an, dies liegt nicht am sogenannten Honigbienensterben, sondern an den in diesem Jahr fehlenden Bienenvölkern auf einem in Balkonnähe liegenden Flächenausgleichsareal durch einen Imker. Ich ging heute dort vorbei und konnte jedenfalls keine Beuten entdecken.)

Verbreitung im Schutz des Menschen

Die Honigbiene (Apis mellifera) ist neben der Seidenraupe eines der wenigen Insekten, dass der Mensch zum Nutztier machte. Definiert man Reproduktion und Verbreitung als Maß für den evolutionären Erfolg einer Art, dann gehört die mellifera (die Honig machende) aufs darwinistische Siegertreppchen. Sie hat sich dank der Hilfe des Menschen nicht nur in Europa und Asien über die Maßen vermehrt und ausgebreitet, sondern auch Kontinente wie Nord- und Teile Südamerikas für sich erobert, in denen sie vorher nicht heimisch war.

Weil die Honigbiene ein Nutztier ist, steht sie unter dem besonderen Schutz des Menschen. Er beschwefelt und bedampft sie gegen Parasiten, er baut Beuten an Stelle der fehlenden Baumhöhlen in den Nutzwäldern. Die Abhängigkeit vom Homo Sapiens ist total. Viele Menschen wissen gar nicht, dass die Biene Maja vom Imker nebenan in freier Natur nicht überleben kann. Milben, Winterkälte und fehlende Nistmöglichkeiten würden ihr den Garaus machen. In Deutschland etwa gilt die Wildform der Honigbiene als ausgestorben.

Anstieg der Zahl der Völker

Unsere heimische Honigbiene war ursprünglich ein Waldbewohner. Noch bis Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Honig von sogenannten Zeidlern auf Bäumen geerntet. Die domestizierte Form der Apis mellifera findet man heute vornehmlich auf Wiesen, Äckern, in Gärten oder Obstplantagen. Auf sich allein gestellt wäre sie im Wald nicht überlebensfähig.

In der Obhut des Menschen entwickelt sich das Nutztier Biene dagegen prächtig – trotz des vielbeklagten Völkersterbens. Dies belegen zumindest die Zahlen des amerikanischen Agrarministeriums. Im Jahr 2006 wurde zum ersten Mal vom sogenannten Kolonienkollaps (Colony Collapse Disorder) in den USA berichtet. Trotz dieses Phänomens ist die Anzahl der Völker, die von amerikanischen Imkern bewirtschaftet werden, in den vergangenen zehn Jahren (Stand Mai 2016) kontinuierlich gestiegen. Diese Entwicklung gilt analog auch für Deutschland – allerdings sind hier die Gesamtzahlen laut Deutschem Imkerbund nur geschätzt (Links siehe unten).

Die Imker haben Abwehrmaßnahmen gegen das Völkersterben ergriffen. Sie teilen beispielsweise frühzeitig gesunde Völker, sie züchten mehr Jungköniginnen oder erwerben sie auf dem Markt. Dies ist natürlich mit Kosten verbunden und darin liegt das ökonomische Problem der Imker. Der Preis für Königinnen ist nicht nur in den USA, sondern weltweit gestiegen. Der Preis für Honig auch. In den USA haben sich die Kilokosten im Handel laut Agrarministerium seit 2006 verdoppelt.

Glücklich, wer Honig macht

Unterm Strich bleibt die Erkenntnis, dass die Honigbiene eine starke Lobby beim Homo Sapiens hat. Das ist im Großen und Ganzen auch gut so. Apis mellifera hat schlicht das Glück, dass ein gewaltiges ökonomisches Interesse an ihrem Überleben besteht.

Bei den vielen anderen Wildbienenarten, die keinen oder nur sehr wenig Honig produzieren – laut Seeley weltweit rund 20 000 – habe ich dagegen so meine Zweifel. Die wenigsten Menschen wissen überhaupt von ihrer Existenz. Nimmt es da Wunder, dass die Wildbienen im öffentlichen Diskurs so gut wie keine Anwälte haben?

Mehr Informationen finden Sie unter folgenden Links:

Thomas D. Seeley (2014): Bienendemokratie.Wie Bienen kollektiv entscheiden und was wir davon lernen können. S. Fischer Verlage:
Zum Buch beim Fischer-Verlag

Die Bienenstatistik des amerikanischen Agrarministeriums ist vom Mai 2016. Die nächste wird im August 2017 veröffentlicht:
USDA – Honey Bee Colonies

Die Zahlen des Deutschen Imkerbunds sind vom Dezember 2016:
DIB – Bienenstatistik

 

 

 

 

7 Kommentare zu “Die Lobby der Honigbiene

  1. Adelheid

    Zitat: „Honigbienen sind vom Menschen geschaffene Nutztiere.“
    Diese Annahme ist schlichtweg falsch. Honigbienen werden im weitesten Sinn vielleicht als „Nutztiere“ gehalten, aber sie sind sicher nicht vom Menschen als Nutztiere „erschaffen“ worden. Und sie sind auch nicht mit Schweinen und Rindern vergleichbar. Denn Schweine und Rinder kann ich in einem Areal getrennt von anderen Tieren halten. Honigbienen fliegen über Grenzen hinweg.

    Honigbienen gab es bei uns schon vor tausenden von Jahren und sie lebten und leben hier zusammen mit den Wildbienen. Beide Arten haben sich nebeneinander entwickelt.
    Ich habe seit 2008 Honigbienen und die Wildbienenpopulationen haben in unserem Umfeld seitdem stark zugenommen. Vielleicht weil wir die Natur nun genauer beobachten und mehr dafür tun, dass es grünt und blüht und die Natur im Garten nicht allzu aufgeräumt wird.
    Schafft man Lebensräume anstatt sie zu zerstören, werden sowohl Wildbienen als auch Honigbienen überleben (oder besser überleben) können.

    • bombus urbanus

      Der Satz, den du zitierst – „Honigbienen sind vom Menschen geschaffene Nutztiere.“ – kommt im Text nicht vor. Beziehst du dich vielleicht auf einen anderen Text?

      Zu deiner Argumentation: Die Honigbiene wurde vom Menschen domestiziert wie andere Wildtierarten auch (Rind, Schwein, Ziege, Pferd, Wolf, etc.). Das uns heute bekannte Nutztier Apis mellifera ist das Ergebnis fortlaufender Züchtungsanstrengungen. Die ursprüngliche Wildart, die mit anderen Wildbienenarten einst koexistierte und in Wäldern lebte, gilt in Deutschland als ausgestorben. Unter den Nutztieren des Menschen steht die Honigbiene nach Rind und Schwein an dritter Stelle (Deutsche Wildtierstiftung, näheres unter: https://www.deutschewildtierstiftung.de/aktuelles/wildbienen-und-die-honigbiene-unterschiede-und-gemeinsamkeiten).

      Die Behauptung, dass Wildbienenpopulationen in Deutschland zunähmen, widerspricht der wissenschaftlichen Datenlage. Das Gegenteil ist der Fall. Tatsache ist dagegen, dass Honigbienenpopulationen zunehmen. Natur ist eine immer knapper werdende Ressource, allein daraus ergibt sich eine Nahrungskonkurrenz (siehe näheres hierzu in dem oben angegebenen Link sowie auch hier: https://www.naturspaziergang.de/Wissenswertes/Nahrungskonkurrenz.htm).

      Dass Honigbienen mit anderen Nutztieren nicht vergleichbar seien, weil sie über „Grenzen hinwegfliegen“ könnten, finde ich als Argument nicht stichhaltig. Brieftauben können dies auch, bleiben aber trotzdem Nutztiere.

      • bombus urbanus

        Edit: Habe den Satz „Honigbienen sind vom Menschen geschaffene Nutztiere“ jetzt doch selbst gefunden. Er steht nicht im Text, sondern in meiner Antwort an Fjonka unten aus dem Jahr 2018. Dies war natürlich nicht präzise formuliert. Selbstverständlich haben wir Menschen noch keine Tierart „erschaffen“. Wir arbeiten aber dran.

  2. Ein tolles Buch, die „Bienendemokratie“!
    Ich bin allerdings nicht der Meinung, daß die Honigbiene eine genügend große Lobby hat – sonst sähen Vorgärten und Äcker anders aus als sie’s tun. Außerdem kann ich für mich und viele ImkerkollegInnen feststellen, daß Honigbienen-Lobbyarbeit immer auch automatisch Wildbienen-Lobbyarbeit ist, selbst wenn diese nicht ausdrücklich genannt werden, weil wir immer in Richtung „laßt es blühen1 Laßt es auch mal unordentlicher sein! kauft keine gefüllten Blüten! Pflanzt einheimische Sträucher und Bäume!“ agitieren. Auch Diejenigen, die nicht im Naturgartenverein sind 😉

    • bombus urbanus

      Natürlich hast du Recht mit deinem Verweis auf die verödeten Vorgärten und Äcker. Doch daraus den Schluss zu ziehen, dass „Honigbienen-Lobbyarbeit immer auch automatisch Wildbienen-Lobbyarbeit“ ist, halte ich keineswegs für gerechtfertigt. In meinen Augen kollidiert die Interessenslage von Imkern nur allzu oft aus ökonomischen Gründen mit dem Ziel der Art- bzw. Naturerhaltung.

      Die Imkerei ist eine Form der Landbewirtschaftung; Honigbienen sind vom Menschen geschaffene Nutztiere.In Deutschland hat die Zahl der Imker in den vergangenen Jahren stark zugenommen (höchster Stand seit Wiedervereinigung laut Deutschem Imkerbund) und auch die Zahl der Bienenvölker ist dadurch naturgemäß im Steigen. Gleichzeitig verknappt die Ausräumung der Landschaft durch die Agrarindustrie das Nahrungsangebot für nahezu a l l e Insekten. Und leider ist die keineswegs bedrohte Honigbiene hier Nahrungskonkurrentin der bedrohten Wildbienenarten.

      Für besonders schädlich halte ich die Imkerei übrigens in den Städten. Durch ihre Strukturvielfalt sind sie zum Rückzugsgebiet für alle möglichen bedrohten Tier- und Pflanzenarten geworden. Gerade deswegen wird der urbane Raum jetzt auch wieder von vielen (Neu-)Imkern als Gewerbegebiet genutzt.

      Ich bezweifle, dass damit dem Artenschutz gedient ist. Um es ganz drastisch zu formulieren: Die Stadtimkerei ist wegen ihrer Auswirkungen auf die urbane Ökologie in meinen Augen vergleichbar jeder anderen Form der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung in der Stadt, etwa einer Schweine- oder Rinderzucht. Diese würde ich aus analogen Gründen ebenfalls ablehnen.

  3. Helmut Hintermeier hat mir geschrieben: “Ich bin seit 1975 Imker und habe mich auch stets mit Wildbienen befasst. In meinem demnächst in der 8. Auflage erscheinenden Buch „Bienen, Hummeln, Wespen – im Garten und in der Landschaft“ werden neben der Honigbiene auch die Wildbienen und Hummeln sehr ausführlich behandelt.
    Auch in dem von Ihnen bestellten Buch gehe ich auf die Frage, ob Honigbienen Nahrungskonkurrenten der Wildbienen sind (sie sind es in einer intakten Landschaft nicht!) ein. In meinem Bienenhaus haben in leeren Bienenkästen schon wiederholt Mauerbienen ihre Brutzellen errichtet. Neben meinem Bienenhaus stand lange Zeit eine Feldscheune in deren Strangfalzziegeln eine sehr große Kolonie der Gehörnten Mauerbiene lebte. Honigbienen und Mauerbienen sammelten im Obstgarten gleichzeitig Pollen und Nektar…

    Das Buch „Bienenhaltung und Naturschutz“ wurde vom Landesverband Bayerischer Imker e. V. angeregt. “

  4. Ein Bienenhotel bauen steht auf meiner Ferienliste. 🙂 Liebe Grüsse auf den Balkon.

Hinweis: Ich freue mich über alle Kommentare und den Austausch mit Leserinnen und Lesern. Leider verschluckt das System aber die Kommentare manchmal und ich muss diese erst nachträglich online stellen. Ich bitte deshalb um Geduld und Verständnis!