Einjährige Saatgut Wildpflanzen

Bei der Ernte von Ackersenf und Kuhkraut

Ackersenf-Schoten mit Samen

Geranien-Umsteiger bitte wegsehen! Das nächste Foto ist nur etwas für innerlich gefestigte Naturgärtnerinnen und Naturgärtner. Vier Monate nach Aussaat der Ackerwildkräuter am 25. März und einem Blütenfeuerwerk im Juni sehen diese einjährigen Pflanzen jetzt so aus: braun, vertrocknet, spätsommerlich.

Einjährige Sommerblumen müssen in einer Vegetationsperiode keimen, wachsen, blühen, fruchten und Samen bilden. Danach sterben sie ab und werden zu trockenen, braunen Halmen. Meine Nichte Freya sagt dazu gemeinerweise immer: „Dein Gestrüpp!“ Ich finde es schön. Es sieht aus wie eine Mini-Getreidefeld und riecht gut nach Heu, die Samen sind reif,  Zeit für die Ernte.

Zwei Blumenkästen mit verblühten Ackerwildkräutern am 2. August. Das Gras war entweder in der Münchner Pflanzerde oder ist Anflug.

Die Kornblumen- und Natternkopfsamen verspeisen die Stieglitze komplett, da ist nichts zu holen. Die Ackersenf-Samen (Sinapis arvensis) mögen sie aber anscheinend nicht. Die habe ich nun zuerst gerntet, weil die Schoten schon von alleine aufplatzen. Ackersenf ist immer eine der ersten Pflanzen aus der Syringa-Wildbienen-Mischung (M12), die blüht. Ein kurzer Rückblick:

Blühender Ackersenf im Mai, Bestäuber im Anflug.

 

Die grünen Schoten nach der Blüte, gefüllt mit Früchten, am 10. Juni.

 

In den ersten Jahren habe ich die Samen nicht geerntet, ich habe die trockenen Pflanzen als Guerillagärtnerin auf dem Balkon stehen lassen. Es gibt zwar kleine sichtbare Erfolge in näherer Umgebung, aber es ist doch viel Asphalt unter dem Balkon. So ernte ich und streue die Samen gezielt aus: In der Stadt, auf meine Blühstreifen in der Oberpfalz und in meine Blumenkästen im nächsten Frühjahr.

Ich habe mir auf verschienen Internetseiten zusammengelesen, wie man die Samen am besten abnimmt und aufbewahrt.

Zunächst musste ich die trockenen Ackersenf-Pflanzen so vorsichtig als möglich abschneiden, aus dem Gestrüpp ziehen und auf den Balkontisch legen.

„Es ist ein Schnitter, der heißt der Tod, (…) Was heut noch grün und frisch da steht, wird morgen schon hinweggemäht:“ lautet es schon im „Erndtelied“ in der Volksliedsammlung des Knaben Wunderhorn, herausgegeben von Clemens Brentano und Achim von Arnim (1805).

Die Schoten waren teilweise bereits offen. „Sie öffnen sich durch Austrocknung selbst. Die Art ist ein Selbst-, Wind- und Tierstreuer“, steht auf Wikipedia.

Ackersenf mit reifen Samen in den Schoten.
Ackersenf mit reifen Samen in den Schoten. Als Unterlage diente eine Amberger Zeitung, mit der ich am Sonntag Salat von der Oberpfalz nach München transportiert hatte.

Dann habe ich mit einer Schere die Schoten einzeln abgeschnitten und sie in einem Haushaltssieb, einem uralten Ikea-Modell aus meinem ersten Studentenhaushalt, zuerst mit der Hand geöffnet (das geht auch mit einem Nudelholz) und die Senfkörner, die fast von selbst aus den Schoten hüpften, durchgesiebt. Die Ackersenfkörner sind recht klein und passen perfekt durch die schwedischen Normlöcher aus dem Jahre 1987. Da ich Hypochonder bin und das Sieb wieder in der Küche verwenden möchte, habe ich natürlich vorher im Internet nachgeschaut, ob die Ackersenf-Körner essbar sind. Man könnte sogar Senf daraus machen, aber dafür ist meine Ernte viel zu klein.

Mit den Kornraden-Samen, die als nächstes dran sind, mache ich das sicher nicht, denn die sind sehr giftig. Ich möchte mir deshalb Siebe zur Saatgutreinigung mit verschiedenen Maschengrößen zulegen, die nicht bei der Speisenzubereitung für mich und meinen Liebsten verwendet werden.

Saatgutgewinnung mit Küchenwerkzeug. Aufgefangen werden die Samen in meiner Käsedose für den Kühlschrank.

Pflanzen im Ruhezustand

Und so sieht das Ergebnis dann aus. Insgesamt habe ich 18 Gramm Ackersenf-Körner geerntet von etwa fünf Pflanzen, die aufgegangen sind. „Kräftige Exemplare können bis zu 25.000 Samen erzeugen“, steht auf Wikipedia.

Ein Teil der Ackersenf-Samen-Ernte 2018 auf dem Wilden Meter.
Ein Teil der Ackersenf-Samen-Ernte 2018 auf dem Wilden Meter.

Embryo in Trockestarre

Ich war sehr stolz auf „meine Ernte“, obwohl ich dazu gar nichts beigetragen habe, außer den Platz zur Verfügung zu stellen, alles Weitere haben Pflanze und Bienen erledigt. Und was hat sich die Natur da ausgedacht? In so einem kleinen schwarzen Kügelchen, das durch ein Ikea-Sieb-Loch passt, alles zu speichern, was im nächsten Jahr für das Wachstum einer neuen Pflanze nötig ist und viele Bienchen ernähren wird. Ich kann darüber immer wieder neu staunen.

Bruno P. Kremer beschreibt es in seinem Buch „Blütengeheimnisse“ (S.49) so: „Der Samen ist eine junge Pflanze im Ruhezustand. Nach der erfolgreichen Bestäubung und der nachfolgenden Befruchtung im Fruchtknoten unterbricht der in der Samenanlage entstehende Embryo seine weitere Entwicklung, gibt dabei den größten Teil seines Wasservorrats auf, fällt in eine Art Trockenstarre und wacht daraus erst beim Keimungsvorgang im nächsten Frühjahr wieder auf.“

Kuhkraut-Ernte

Das hübsche rosa blühende Kuhkraut (Vaccaria hispanica) hat auch schon seine Samenstände gebildet. Ein kugelig aufgeblasener Kelch umhüllt die Frucht (Wikipedia).

Die Kapselfrüchte des Kuhkrauts. Eine enthält etwa zehn Samen.

Zur Erinnerung, so sahen die Blüten aus:

Die rosa Blüten des Kuhkrauts wurden auf dem Wilden Meter vor allem vom Taubenschwänzchen besucht.

Die Samenkapseln sind zwar schon braun, aber noch relativ fest. Ich habe sie im Ganzen in das Tütchen gesteckt. Dort können sie auf dem Balkon bei der momentanen Hitze noch weiter trocknen und nachreifen. Später schüttle ich dann die kleinen Samen heraus und trenne sie von den anderen Bestandteilen. Da die Samen Saponine enthalten werde ich dazu aber sicher kein Küchensieb verwenden.

Ackersenf- und Kuhkrautsamen in Tütchen: Bienenfutter für das nächste Jahr, im März säe ich wieder aus.
Bienenfutter für das nächste Jahr, im März säe ich wieder aus.

Für alle Geranien-Umsteiger, die bis hierher gelesen haben, eine gute Nachricht: Der Rest vom Balkon ist grün. Einige Stauden sind schon verblüht, aber die Blätter sind noch grün, andere blühen voll, andere haben gerade angefangen zu blühen und manche kommen erst noch. Obwohl es dieses Jahr so heiß war, werden voraussichtlich Blüten bis in den September hinein im Angebot sein. Dazu gibt es bald einen eigenen Beitrag.

Der Wilde Meter vom Wohnzimmersofa aus: grün.
Der Wilde Meter vom Wohnzimmersofa aus: grün.

PS: Während ich den letzten Absatz geschrieben habe, sind die Stieglitze im Gestrüpp gelandet und mampfen Kornblumensamen. Das ist so herzerwärmend, dass es nächstes Jahr sicher wieder einjährige Sommerblumen auf dem Wilden Meter geben wird!


Quellen und weiterführende Informationen:

Einjährige Pflanze auf Wikipedia
Volkslied „Es ist ein Schnitter“ auf Wikipedia
Acker-Senf auf Wikipedia
Kuhkraut auf Wikipedia
NDR Ratgeber: Blumensamen ernten für das nächste Jahr
Mein schöner Garten: Nach der Blüte: Blumensamen fürs nächste Jahr sammeln
Querbeet (BR): Saatgut gewinnen
Querbeet (BR): Saatguternte bei Stauden (0kt. 2017)
Querbeet (BR): Garten-Tipp – Saatgut ernten
Querbeet-Redaktion des BR: Kein Platz – trotzdem Garten. Cadmos, 2016
Kremer, Bruno: Blütengeheimnisse. Haupt, 2013

 

7 Kommentare zu “Bei der Ernte von Ackersenf und Kuhkraut

  1. Da hast du eine üppige Ernte dieses Jahr 🙂 Ich bin zwar kein totaler Hypochonder, aber mit giftigen Pflanzenbestandteilen und Küchenutensilien wäre ich auch sehr vorsichtig ;-)!! – Ich bin gespannt, was bei dir noch alles blühen wird. Hier habe ich das Gefühl, daß es sich bald ausgeblüht hat, abgesehen von Kokarden und Mädchenaugen. Meine Malven hats ganz schön runtergeblüht bei der Hitze. Einziger Trost: es hatten sich so viele ausgesät, die ich nicht alle rausgerissen habe. Vielleicht kommt da noch was 🙂 Was steht denn bei dir noch auf der Blühliste?

    • Redaktion

      Ich werde so schnell als möglich den Foto-Rundgang zusammenstellen, dann sieht man gleich die Pflanze dazu. Aber noch nicht aufgeblüht sind die Goldhaar-Aster und der Berglauch. Für den August habe ich mir auch Sonnenblumen vorgemerkt fürs nächste Jahr, die mögen Hummeln und Stieglitze 🙂

      • Ach, hätte ich mal Stieglitze! Hier konnte ich das leider noch nie beobachten, daß die Vögeln an die Sämereien gehen, aber ich glaube, die sich dafür interessieren, fremdeln dann doch ein wenig mit dem innenliegenden Balkon. Dafür gibts hier zum Glück genug Alternativen. Berglauch? Muß ich mal gucken, sagt mir so nichts. Goldhaar-Aster kenne ich auch nicht. Für das späte Jahr fehlt mir oft ein bißchen was, aber ich kann hier nicht noch mehr abdecken, zumal ich ja noch ein paar Dauerblüher habe und die Mädchenaugen werden von den Wildbienen gerne aufgesucht, zum Glück! Meine Fetthenne, die ja mit als letztes blüht, ist schon offen….

      • Mein Berglauch ist schon fast wieder verblüht. Gespannt bin ich auf Bilder der Goldhaar-Aster, denn Spätblüher könnte ich auch noch gebrauchen (allerdings mangelt es an Platz).
        Sehr schön finde ich auch deine Samentütchen. Ich benutz immer schnöde Teefilter.

Hinweis: Ich freue mich über alle Kommentare und den Austausch mit Leserinnen und Lesern. Leider verschluckt das System aber die Kommentare manchmal und ich muss diese erst nachträglich online stellen. Ich bitte deshalb um Geduld und Verständnis!