Die Blütenblätter des Berg-Steinkrauts (Alyssum montanum) sind nur vier bis sechs Millimeter lang, leuchten aber in der Frühlingssonne auf dem Wilden Meter intensiv in einem kräftigen hellen Gelb. Auf den Balkonen rundherum herrscht noch tiefste Winterruhe. Kein Blümchen weit und breit. Im heutigen Rundgang zeige ich die ersten Blüten und ihre Gäste in meinem Balkon-Naturgärtlein. Falls Sie mögen, machen Sie eine kurze Pause von den schlechten Nachrichten in diesen Zeiten und kommen Sie mit!
Die Saison auf Wildpflanzen-Balkonen beginnt bis zu drei Monate früher als auf Zierpflanzen-Balkonen. Dort wartet man normalerweise bis nach den Eisheiligen mit der Begrünung, weil Geranien, Petunien und andere Gartencenter-Klassiker aus anderen Teilen der Welt kommen und nicht frosthart sind. Auch Zwiebel-Frühblüher gedeihen auf dem Balkon. Die ersten Blüten auf dem Wilden Meter öffneten sich dieses Jahr am 15. Februar, gelbe Krokusse aus dem Garten meiner Mutter, von denen wir leider nicht die Sorte wissen.
Es folgten die violetten Elfenkrokusse (Crocus tommasinianus) und die zwei weißen Krokus-Sorten, die in der mittlerweile zweiten Saison auf dem Wilden Meter wachsen: der Frühlingskrokus der Sorte Jeanne d’Arc (Crocus vernus ‚Jeanne d’Arc‘ ) und der Zweiblütige Krokus der Sorte Miss Vain (Crocus biflorus ‚Miss Vain‘).
Auf dem Foto sieht man im Hintergrund auch die ersten Blüten der Himmelblauen Traubenhyazinthen (Muscari azureum) und der Weinbergs-Traubenhyazinthen (Muscari neglectum). Sie sind im zweiten Jahr in meiner Pflege nun leider etwas mickrig geraten, die traubigen Blütenstände sind kürzer als sonst, obwohl ich die Zwiebeln im vergangengen Jahr genau nach der Anleitung von Frau Baur von der Gärtnerei Gaißmayr behandelt habe, wie ich meine (siehe Beitrag: Wie Sie Zwiebeln und Knollen richtig in Töpfen kultivieren). Aber eventuell ist die Universalerde von Ökohum nicht so optimal für sie gewesen oder etwas anderes hat ihnen nicht gefallen.
Das große Manko der Pflanzen ist ja, dass sie mir nicht in menschlicher Sprache sagen können, was ich anders machen soll. Ich kann in diesem Fall nur an den Blüten ablesen, dass irgendwas nicht optimal war. Die kümmerlichen Blütenstände sind unmissverständliche Vorwürfe: „Schau uns mal an, du doofe Nuss, du musst unbedingt was an unseren Wachstumsbedingungen ändern!“ Aber ich kann erst nächstes Jahr etwas anderes ausprobieren. Ein Jahr warten, eine echte Geduldsprobe! Ich habe kürzlich von anderen Stadtbalkon-Gärtnern gehört, dass sie die langen Pflanzenzyklen im Gegensatz zu mir als eine angenehme Entschleunigung in ihrem Leben betrachten. Ich bemühe mich jetzt auch um diese Sichtweise.
Erste Blütengäste
Den Gehörnten Mauerbienen (Osmia cornuta) sind die kurzen Blütenstände der Muscari völlig egal, sie nützen einfach die Blüten, die da sind und wenn der Vorrat auf dem Balkon nicht reicht, fliegen sie auf unsere insektenfreundliche Bewohnerprojekt-Wiese unter dem Wilden Meter, auf der rund 500 Traubenhyazinthen blühen.
Traubenhyazinthen haben im Blütenstand sterile und fertile Blüten. Die sterilen Blüten dienen nur als Schauapparat zum Anlocken der Bienen. Die fertilen Blüten der Weinbergs-Traubenhyazinthen erkennt man am Saum aus weißen Zähnchen. Sie produzieren Pollen und Nektar. Auf dem Bild oben kann man sehen, dass die Biene an den unteren, fertilen Blüten dieser Traubenhyazinthen-Art saugt.
Die ersten Männchen sind dieses Jahr am 2. März geschlüpft. Später als vergangenes Jahr, aber tendenziell schlüpfen sie immer früher, seit ich das bei mir dokumentiere: 18. März 2015, 17. März 2016, 11. März 2017, 3. März 2018, 27. Februar 2019, 2. März 2020.
Sehr gerne verköstigen sich die Männchen der Gehörnten Mauerbienen auf dem Balkon jedes Jahr auch in den Krokussen (siehe nächstes Bild), aber sobald die Traubenhyazinthen blühen, werden sie eindeutig bevorzugt. Ich muss da jedes Jahr an den Werbeslogan denken „Katzen würden Whiskas kaufen“, diese Bienchen würden Balkonbesitzern in jedem Fall zu einem Muscari-Großeinkauf raten.
Blüten unter dem Wilden Meter
Direkt unter dem Balkon blühen derzeit in der Marlene-Dietrich-Straße mehrere Spitz-Ahorne (Acer plantanoides). Ich habe vorgestern, als die Sonne schien, Honigbienen und Weibchen der Gehörten Mauerbienen im Baum mit bloßem Auge beobachten können. Aufgrund der Entfernung vom Boden bis zu den Blüten (und mangels Brille) konnte ich nicht genau sehen, was in den Blüten genau passiert. Der Wildbienenexperte Paul Westrich schreibt aber auf seiner Website wildbienen.info, dass der Spitz-Ahorn als Pollenquelle für Gehörnte Mauerbienen belegt ist.
Auf unserer Wiese habe ich auch die ersten beiden Löwenzahn-Blüten (Taraxacum officinale) gesichtet. Auch Löwenzahn-Pollen ist laut Westrich bei den Gehörnten Mauerbienen belegt. Insofern werden „meine“ Bienchen im Viertel trotz meiner mickrigen Traubenhyazinthen sicher fündig. Im Gegensatz zu so vielen Zierpflanzen auf Balkonen und Gärten ist Löwenzahn für Bienen sehr wertvoll. Lassen Sie ihn blühen, reißen Sie ihn nicht aus, freuen Sie sich über ihn: Paul Westrich konnte anhand von Pollenanalysen 72 Bienenarten ermitteln, die den Pollen von Löwenzahn nutzen (Die Wildbienen Baden-Württembergs, 1989).
Erste Blüten der Wildstauden
Doch zurück auf den Balkon. Vor zwei Tagen haben bei warmen Frühlingstemperaturen in München auch drei Stauden ihre Blüten geöffnet: Das Berg-Steinkraut (Alyssum montanum), die Frühlings-Platterbse (Lathyrus vernus) und die Große Sternmiere (Stellaria holostea).
Das Berg-Steinkraut war Teil des Pflanzpakets der Staudengärtnerei Spatz & Frank für sonnige Balkone. Es ist Ende März 2019 bei mir eingezogen und wächst nun in der zweiten Saison im Kasten. Wie schon im vergangenen Jahr hat die Pflanze leider wenig Gäste, ehrlich gesagt habe ich im vergangenen Frühjahr nur eine Biene und dieses Jahr noch gar keine Biene dran gesehen, die fliegen immer darüber hinweg, schnurstraks zu den Traubenhyazinthen.
Der Anbau von Alyssum-Arten als Nahrungspflanzen ist von Paul Westrich für spezialisierte Wildbienen ausdrücklich empfohlen, aber wahrscheinlich leben die entsprechenden Wildbienen einfach nicht in der Nähe des Münchner Hauptbahnhofs, sondern da, wo Alyssum von Natur aus wächst. Das Berg-Steinkraut ist übrigens in der Roten Liste Bayern (2003) der Gefährdungsstufe 2 zugeordnet und in der Roten Liste Deutschland (2018) der Stufe 3.
Farbe für den Halbschatten
Die Frühlings-Platterbse (Lathyrus vernus) war eine Pflanze im Pflanzpaket für halbschattige Balkone der Staudengärtnerei Spatz & Frank, das ich ebenfalls im März vergangenen Jahres eingepflanzt habe. Sie blüht dieses Jahr zum zweiten Mal an ihrem Standort, dem Esszimmerfenster. Die Schmetterlingsblüten können nur von kräftigen Insekten wie einigen Hummelarten geöffnet werden. Ich habe noch keine Blütengäste beobachten können, aber die leuchtende lila Farbe ist trotzdem ein überzeugendes Argument für den Schattenblüher, finde ich.
Sternmieren-Liebe
Ebenfalls ein Neuzugang im Halbschatten-Paket war die Große Sternmiere (Stellaria holostea), die bei mir wohl auch nie einen Nachtfalter zu Gesicht bekommt, der auf sie spezialisiert ist.* Dafür wird sie von mir mit viel Liebe überschüttet. Die erste Blüte wurde mit so vielen freudigen „Oh, wie schön“ begrüßt, dass das Selbstwertgefühl dieser zierlichen Pflanze schlagartig gestiegen sein muss.
Kälteeinbruch
Heute morgen hatte es auf dem Wilden Meter nur ein Grad plus und es lag etwas Schnee auf den Pflanzen. Kein Problem für unsere einheimischen Wildpflanzen – sie machen einfach Pause und warten auf wärmeres Wetter.
Die Abkühlung kam schon gestern am späten Nachmittag, da waren noch einige Bienchen unterwegs. Der kleine Kerl auf dem nächsten Bild hat es wohl nicht mehr in ein geschütztes Röhrchen zurück geschafft und wartet nun kältestarr auf dem Blatt einer Traubenhyazinthe auch auf besseres Wetter.
*Nachtrag zur Großen Sternmiere vom 11. April 2020
Gestern sind die ersten Männchen der Rostroten Mauerbienen (Osmia bicornis) geschlüpft und sie besuchen immer wieder die Blüten der Großen Sternmiere (Stellaria holostea). Jetzt habe ich bei Paul Westrich auch gefunden, dass das belegt ist (Link siehe unten). In der ersten Saison der Pflanze auf dem Wilden Meter konnte ich nicht ein Insekt an den Blüten beobachten. Vielleicht liegt es daran, dass die Mauerbienen Muscari lieber mögen, aber diese in diesem Jahr bei mir auf dem Balkon schon verblüht sind.
Pflanzensteckbriefe
Weitere Informationen zu den Pflanzen finden Sie in den Steckbriefen der Botanischen Staatssammlung München und auf Flora-Web des Bundesamts für Naturschutz:
Hier zusätzlich noch ein Link zu Wikipedia, hier sind im Querschnitt sehr anschaulich die sterilen und fertilen Blüten abgebildet: https://de.wikipedia.org/wiki/Weinbergs-Traubenhyazinthe
Gehörnte Mauerbienen
Zu den Wildbienen die entsprechenden Links zu den Seiten von Paul Westrich:
Informationen zur Gehörnten Mauerbiene von Paul Westrich
Informationen Nahrungsangebot Wildbienen von Paul Westrich
Informationen zu den Blütenbesuchen der Rostroten Mauerbiene von Paul Westrich
Ich will mir das Bergsteinkraut kaufen und in meinem Garten als Unterpflanzung von Staudenbeeten nutzen. Ich habe hier gelesen, dass es gut gegen Unkraut hilft: https://www.hausundgarten-profi.de/unkrautvernichter-hausmittel-organsich-chemisch/
Ich möchte dazu sagen, dass ich natürlich keinen unkrautfreien Garten will und mir sehr wohl bewusst ist, dass Unkräuter sehr nützlich sein können. Deshalb will ich unbedingt etwas bienenfreundliches einpflanzen und es geht mir nur darum zu verhindern, dass ständig Pflanzen, die ich nicht haben will in meinem Beet auftauchen. Bevor ich dem Beitrag aber blind vertraue, wollte ich hier nochmal nachfragen!
Liebe Ulrike, dazu kann ich leider überhaupt nichts sagen, da ich das Bergsteinkraut im Blumenkasten habe und im Garten mit dem Bergsteinkraut keine Erfahrung habe. Ich habe es bei der Staudengärtnerei Spatz und Frank gekauft, vielleicht rufst du direkt dort an und fragst Susanne Behmenburg zu den Eigenschaften des Bergsteinkrauts: https://www.stauden-spatzundfrank.de/ Du kannst auch bei anderen Fachbetrieben für naturnahes Grün anrufen. Infos siehe: https://www.naturgarten.org/mitgliedsbetriebe/fachbetriebe.html Viel Erfolg! Herzliche Grüße, Katharina
Der Spitzahorn in der Marlene-Dietrich-Straße direkt unter dem Wilden Meter dürfte eine Kornelkirsche sein 🙂
Lieber Mario, ich weiß von den Mitarbeitern des Gartenreferats, die den Baum gepflanzt haben, dass es ein Spitz-Ahorn ist. In der Straße sind Bäume neu gepflanzt worden, weil die Rinde aufgeplatz war. Ich bin dann hinunter gegangen und hab die Arbeiter ausgefragt. Dazu gibt es auch einen Beitrag hier auf der Website: https://wildermeter.de/deja-vu-baumpflanzarbeiten-2017/ Herzliche Grüße aus München, Katharina