Balkonbesuche Rubrik Wildpflanzen

Balkonbesuch: Bei Almuth in Hannover

Balkonansicht Almuth Dietrich: www.naturaufdembalkon.wordpress.com

Liebe Leserinnen und Leser, dieser Beitrag ist der erste Teil der neuen Serie „Balkonbesuche“.  Menschen in ganz Deutschland, die auf ihren Balkonen insektenfreundlich gärtnern, stellen ihre Projekte vor. So profitieren Sie auch von den Erfahrungen anderer Balkongärtnerinnen und -gärtner. Denn jeder Balkon ist anders. Die Autoren habe ich über meinen Wilden Meter kennengelernt und ich freue mich, dass sie bereit sind, hier zu berichten. Den Anfang macht Naturbalkon-Bloggerin Almuth aus Hannover.

„Blumen und Pflanzen habe ich schon immer geliebt und als ich in die Stadt zog, war mir ein Balkon immer wichtiger als eine Badewanne. Eine kleine grüne Oase direkt vor der Tür im dritten Stock zu haben, ist etwas Wunderbares. Dass diese dabei noch naturnah und insektenfreundlich sein kann, habe ich nach und nach lernen dürfen.

Wie kam es zu mehr Natur auf dem Balkon?

Als ich vor ca. sieben Jahren das erste Mal vom Hummelsterben hörte und dass Hummeln im Sommer verhungern, weil sie nicht genügend Nahrung finden, beschloss ich, meine Balkonbepflanzung auf nektar- und pollenfreundlichere Blumen umzustellen. Petunien, die ich bis dahin geliebt hatte, wurden von nun an nicht mehr nachgekauft.

Zum Glück hatte ich durchaus nützliche Pflanzen, aber mein Fokus richtete sich nun auf Stauden, die noch mehr Nektar und Pollen bieten. So stieß ich auf den Blutweiderich (Lythrum salicaria), eine Staude mit langen Blütenrispen und pinkfarbenen Blüten, die an Ufern oder Gräben wächst und gerne den ganzen Tag im Wasser steht.

Hatte ich bislang nur hin und wieder eine Hummel gesichtet, kamen von nun an jedes Jahr mehr. Inzwischen sind es sechs verschiedene Hummelarten. Andere Wildbienen wie Maskenbienen oder diverse Furchenbienen, Schmetterlinge wie der Hauhechel-Bläuling sowie Honigbienen und insbesondere Schwebfliegen laben sich an den Blüten. Es fing mit einer kleinen Staude an. Inzwischen habe ich zwei große Büsche davon, die im Hochsommer etwa von Mitte Juni bis Mitte/Ende August in Blüte stehen (siehe Titelbild).

Nach und nach zu mehr Wildblumen

Die zweijährigen Königskerzen waren die nächsten Wildblumen, die zu mir kamen. Schwebfliegen, Bienen und Erdhummeln lieben die Blüten, die bereits morgens um fünf offen sind und mittags wieder schließen.

Links: Hummel im Anflug auf eine Königskerze. Rechts: Bläuling trinkt am Blutweiderich.
Links: Erdhummel im Anflug auf Königskerze. Rechts: Faulbaum-Bläuling besucht Blutweiderich.

 

Des Weiteren sind Weiß- und Rotklee hinzugekommen. Auch hier zeigt sich, dass sie von Wildbienen bestens angenommen werden. Rotklee hat besonders viel Nektar zu bieten.

Zuletzt habe ich Wiesenflockenblumen ausgesät. Sie sind äußerst robust, auch gegenüber Schädlingen, und in der kurzen Zeit, die sie hier blühen, werden sie von allen Nektarsammlern begierig aufgesucht. Seit das Nahrungsangebot größer geworden ist, werden interessanterweise mehr verschiedene Blütenpflanzen angeflogen als zuvor.

Ackerhummel auf Flockenblume
Ackerhummel freut sich über das Angebot der Flockenblume.

Wildbienen hundertfach

Je mehr nektarreiche Blumen sich hier auf meinen sechs Quadratmetern befinden, umso zahlreicher werden die Besuche der unterschiedlichsten Insekten. So hat sich auch der Ausbau meiner Nisthilfen für Mauerbienen (Gehörnte Mauerbiene, Rostrote Mauerbiene) letzten Sommer richtig bewährt. Jedes Jahr wurden es mehr. Waren es 2017 noch zehn verschlossene Röhren, hat sich die Zahl 2018, sicherlich durch den furiosen Frühlingsstart bedingt, verzehnfacht! Mehr als 100 Niströhren wurden von den fleißigen Wildbienen, die bereits im März und April fliegen, verschlossen. Neben Obstbäumen außerhalb des Balkons haben sie sich hier oben an Frühlingsblühern wie Perlhyazinthen und Hornveilchen als auch am Rotklee gütlich getan. Eine kleine Weide bietet normalerweise mit den ersten Blüten hilfreichen Nektar, aber sie hat die letzten Jahre leider nicht mehr geblüht. Immerhin sind ihre Blätter für viele Nachtfalterraupen interessant.

Zu Gast auf dem Balkon: Ein Rote-Liste-Käfer!

Ein toller Nebeneffekt der hier nistenden Wildbienen war die Entdeckung des Diebskäfers Ptinus sexpunctatus, der auf der Roten Liste als gefährdet geführt wird. Was für ein Fund! Man findet seine Larven in den Brutzellen von Mauerbienen, wo sie sich vorwiegend von den Abfällen ernähren. Der Balkon als Naturschutzgebiet, wer hätte das gedacht?!

Kräuter im Kasten

Inzwischen bin ich zum Schnittlauchfan geworden. Viele Menschen schneiden ihn ab, bevor er blühen kann, dabei sind die Schnittlauchblüten geradezu zauberhaft und werden ebenfalls von vielen Insekten bestens angenommen!

Schnittlauch im Blumenkasten
Schnittlauch im Blumenkasten: Futter für Mensch und Biene

Borretsch ist ein absoluter Bienenmagnet und die üppig blühende Knäuelglockenblume bietet Hummeln und der Glockenblumen-Scherenbiene erste Nahrung im Frühjahr.

(siehe weiter  unten)
Baumhummel am Borretsch

Immer mehr Insekten – das Entdecken nimmt kein Ende!

Auch die Zahl kleiner und kleinster Wildbienen hat sich hier auf dem Balkon vervielfacht. Sie mögen neben den Flockenblumen die kleinen Ehrenpreisblüten. Maskenbienen, gerade mal fünf Millimeter lang, haben sich die kleinsten Bambusniströhren ausgesucht und 14 davon mit ihrer pergamentartigen Schicht verschlossen. Spannend dabei ist, dass mit der Zahl der nektar- und pollensuchenden Insekten die Zahl ihrer Fressfeinde steigt.

Die letzte interessante Begegnung war die mit der Orientalischen Mörtelwespe (Sceliphron curvatum), die hier ein Nest begonnen hat. In diesem Juli, ein Jahr später, konnte ich nachsehen, was die Mörtelwespe in ihrem Versteck unter einem Weidenkorb erschaffen hat. Fantastische kleine Lehmtöpfchen, die an antike Amphoren erinnern. Was für Kunstwerke!

Tönnchen der Orientalischen Lehmwespe
Tönnchen der Orientalischen Lehmwespe

Mit jedem Insekt lerne ich etwas dazu. Welche Blumen mögen sie, was brauchen sie zum Leben? Kann ich sie mit Nisthilfen unterstützen oder mit Totholz oder bestimmten Wildblumen? Mit offenen Flächen in den Blumenkästen oder mit lehmiger Erde? Stets und ständig lerne ich mehr über die Kreisläufe der Natur, wie alles zusammenhängt und miteinander verzahnt ist. Ich entdecke jedes Jahr neue Wunder. Wie die Grabwespen Schnaken fangen und diese betäubt in ihre Erdbauten schleppen. Dazu reicht ihnen die Erde in den Balkonkästen! Blattschneiderbienen, die Löcher in Blätter schneiden, um damit ihre Niströhren auszupolstern, genauso wie die Stahlblaue Mauerbiene, die mit kleinsten Pflanzenteilen aus den Malvenblättern ihre Niströhren verschließt. Malven sind ebenfalls begehrte Blütenpflanzen und werden von den Raupen der Achateule, einem Nachtfalter, gerne gefuttert.

Welche Pflanzen kommen hier vor?

Derzeit überwiegen noch nichtheimische Stauden, aber nach und nach will ich zunehmend auf heimische Wildpflanzen umstellen. Als nächstes werde ich Natternkopf aussäen. Ich habe mir aber auch vorgenommen einen kleinen Teil der herkömmlichen Stauden zu behalten. Zum einen werden sie von vielen Wildbienen gut besucht, zum anderen kann ich mit diesen Dauerblühern kleinere Durststrecken wenigstens für die Hummeln überbrücken. Gut geeignet sind dafür, nach meinen Beobachtungen, die Mauretanischen Malven, Mädchenaugen und Kokarden. Sie blühen in der Regel bis zum Frost und bieten auch den späten Ackerhummeln noch Nahrung.

In den letzten Jahren konnte ich über 90 verschiedene Insekten hier beobachten und kennenlernen. Manche kommen regelmäßig, ein paar wenige waren „Eintagsfliegen“. Der Balkon ist inzwischen zu einem faszinierenden Mikrokosmos mit über fünfzig verschiedenen Pflanzenarten geworden, auf dem ich mehr über Natur lerne, als ich es in der Schule getan hätte. Für mich ist das „bisschen“ Natur auf dem Balkon eine erstaunliche Bereicherung. Ich bin mir sicher, dass auch für Kinder dort viel Spannendes zu entdecken wäre.

Und das Tollste: Auf dem Balkon ist man immer mittendrin! Näher kann man der Natur nur noch auf einer Blumenwiese sein!

Hier folgen noch mal die wesentlichen Angaben in Kompaktform:

Der Balkon

Es handelt sich bei meinem Balkon um einen sonnigen, ca. sechs Quadratmeter großen Südbalkon. Im Sommer scheint die Sonne für etwa sieben Stunden in den innenliegenden Balkon hinein. Etwa von 9:30 / 10 Uhr bis 16:30 Uhr. Im Hochsommer liegt ein Teil des hinteren Balkons im Halbschatten bzw. Schatten. Im Frühjahr und Herbst erreicht die niedrig stehende Sonne auch die hintere Balkonwand.

Gefäße und Substrat

Die Pflanzen habe ich hauptsächlich in Tontöpfe gepflanzt. Am liebsten würde ich auf Plastik verzichten, aber um das Gewicht zu reduzieren und auch größeren Pflanzen genügend Platz zu bieten, habe ich eine Reihe von Plastikgefäßen.

Das Substrat, welches ich verwende, besteht zum Hauptteil aus Komposterde und aus Bio-Blumenerde. Es gibt noch Restbestände torfhaltiger Erde, die ich zukünftig nicht weiter kaufen will. Zum Glück bietet hier der örtliche Abfallentsorger Kompost in begrenzten Mengen zur kostenlosen Mitnahme an.

Was geht, was geht nicht

Da ich einen Hang zum Gießen habe, überleben bei mir hauptsächlich die durstigen und wasserliebenden Pflanzen. Pflanzen mit sehr geringem Wasserbedarf gehen bei mir leider immer mal ein, z. B. Bohnenkraut. Blutweiderich, Wasserdost, Mädchenaugen und alle anderen, die ich gut gießen darf, gedeihen hier sehr gut.

Welche Blütenbesucher kann ich hier sichten

Insekten an sich, die mir aufgefallen sind, habe ich im Laufe der letzten Jahre über 90 gezählt. Blütenbesucher entnehmen Sie bitte der Liste, ebenso wie die Übersicht meiner Pflanzen (siehe weiter  unten). Die mit einem * gekennzeichneten Insekten und Vögel sind Ausnahmen, Besucher die ich bislang nur einmal hier oben im 3. Stock gesehen habe.

Nisthilfen, das Material

Nisthilfen für Wildbienen und Solitärwespen habe ich insbesondere aus Pappe in den Größen von drei bis neun Millimeter. Die sechs und neun Millimeter großen Röhren werden hier bei mir am häufigsten angenommen (das ist immer ein wenig davon abhängig, welche Arten in der Umgebung vorkommen). Seit 2018 habe ich zudem Bambusstängel, meist etwas kleiner im Durchmesser. Diese werden gerne von der Rostroten Mauerbiene und von den viel kleineren Maskenbienen bezogen. Seit drei Jahren sind zudem zwei Etagen aus MDF-Platten mit Bohrungen hinzugekommen. Lange Zeit wurden sie nicht bezogen, aber im Spitzenjahr 2018 sind plötzlich alle Löcher dicht gemacht worden. Leider sind im selben Jahr auch zahlreiche der Nisthilfen von Parasiten befallen worden, insbesondere von der Taufliege.

Was tun im Urlaub

Für die Urlaubsbewässerung nutze ich einerseits Tonkegel, die mit einem Wassergefäß verbunden sind und ständig Wasser nachziehen, sobald das Substrat zu trocken wird. Pflanzen, die einen sehr hohen Wasserverbrauch haben, tränke ich. Das kann vier Tage bis zwei Wochen vorhalten, ist jedoch abhängig von Wetter,  Standort und der Pflanzenart.

Ein paar Tipps zum Schluss

Mein Tipp für noch junge Balkongärtner: Nicht entmutigen lassen, wenn die Blumen nicht vom ersten Tag an besucht werden. Alles muss sich entwickeln. Ich habe festgestellt, dass einige meiner Pflanzen, die früher überhaupt nicht besucht wurden, mit Zunahme des Nektarangebots für die Wildbienen plötzlich interessant wurden. Der Bedarf an Nektar und oder Pollen ist bei diesen Insekten so unterschiedlich, dass eine Pflanze manchmal lange Zeit ignoriert wird und plötzlich, kurz vor Ende der Blüte massiv angeflogen wird. Jedes Jahr ist zudem anders und manchmal kommen ganz andere Insekten als erwartet. Aber das macht es nur umso spannender!“

Listen: Pflanzen und Tiere A-Z:
Insektenliste als PDF
Pflanzenliste als PDF

Kontakt per Blog:
Almuth Dietrich | www.naturaufdembalkon.wordpress.com

Text und Bilder: Almuth Dietrich

5 Kommentare zu “Balkonbesuch: Bei Almuth in Hannover

  1. Bianca Pesch

    Hallo Almuth, toller Balkon! Einige deiner Pflanzen werde ich im nächsten Jahr auf jeden Fall ausprobieren. Mich interessiert immer sehr welche Pflanze in welchem Pflanzgefäß (Volumen, Ton oder Plastik) und in welcher Erde am besten gedeihen. Liebe Grüße, Bianca

    • Liebe Bianca, das würde mich freuen, wenn Anregungen für dich dabei sind! Ich muß gestehen, daß ich früher gar nicht so auf das Substrat geachtet habe. Damit fange ich quasi erst an. Ich habe am ehesten auf eine gute Drainage (Tonscherben, Kies, Schotter u.ä.) geachtet bei Pflanzen, die nicht im Wasser stehen dürfen. Das Lernen nimmt kein Ende, nicht mal beim Balkongärtnern 🙂 Liebe Grüße, Almuth

  2. Hallo Almuth,

    toller Balkon!

    Da kann man sich noch sehr viel abschauen.

    • Ich denke, wir können uns alle gegenseitig inspirieren. Jeder hat oder macht irgendwas, was sich lohnt zu übernehmen. Schon die Pflanzenwahl eröffnet immer neue Welten. Wie ich gelesen habe, hast du auch Blutweiderich, meine Lieblingspflanze und so ein toller Insektenmagnet! Viele Grüße und einen schönen Spätsommer auf dem Balkon, Almuth

  3. Ich bin schon sehr gespannt auf die anderen Balkone 🙂 Und hoffentlich fühlen sich noch mehr Menschen inspiriert, mit dem Balkongärtnern für Insekten und Co loszulegen. Das wäre schön. Wir können beide nur bestätigen, wieviel Spaß das macht und wie spannend es ist!

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