Wildbienen

Von Baumeistern, Blumenschläfern und Pollensammlern

Letzte Woche bekamen wir eine Audienz beim deutschen Wildbienen-Papst (ja, so etwas gibt’s). Dr. Paul Westrich heißt er, aus Tübingen stammend. Seine musisch klingende Berufsbezeichnung, er ist Bombo- und Apidologe, weist schon gleich auf den ästhetischen Reiz des Forschungsobjekts. Ganz verliebt sprach der Wissenschaftler von seinen „Bienchen“, deren Schönheit er während eines Vortrags an der Volkshochschule Haar nicht müde wurde, immer wieder zu betonen.

DAS berühmte und sehr empfehlenswerte Wildbienen-Buch von Paul Westrich

Wie wir erfuhren, hat Westrich nicht nur Biologie studiert, sondern auch Philosophie und Musik.  „Von Baumeistern, Blumenschläfern und Pollensammlern  – eine Reise in die faszinierende Welt der heimischen Wildbienen“ nannte er seinen Vortrag. Die Hautflügler entdeckte er für sich auf einer Exkursion nach Südfrankfreich, wo ihn ein charismatischer Professor und Mentor als Student für das Thema begeisterte.

Wir selbst waren erst einmal begeistert von den Filmaufnahmen, die Westrich mitgebracht hatte. Etwa von den sogenannten „Pförtner-Schmalbienen“, deren Nistkolonien der Apidologe auf einem Feldweg in der Nähe von Tübingen aufgespürt hat. Diese staatenbildende Wildbienenart gräbt Gänge und Kammern in den Sandboden, in denen sie die Brut aufzieht. Eine Pförtnerin bewacht den Eingang der Kolonie, den sie, mit dem Köpfchen nach draußen wachend, verschließt. Arbeiterinnen-Schwestern erkennt die Pförtnerin am Geruch. Der Eingang zu Kolonie ist für die ausfliegenden Bienen zur Orientierung ebenfalls mit typischen Pheromonen wie ein Flugfeld markiert.

Kommunikation per Duftrede

Das Sinnesorgan befindet sich in den hochsensiblen Fühlern der Biene, die geringste Geruchsmoleküle wahrnehmen. Die Abfrage der Einlassparole funktioniert in Sekundenschnelle, man kommt mit dem bloßen Auge kaum mit. Jede Arbeiterin findet ihr Eingangsloch auf Anhieb, obwohl die Höhlenöffnung eines fremden Volks nur wenige Zentimeter entfernt sein kann. Wie uns Westrich weiter mitteilt sind solche staatenbildenden, sozialen Bienenarten (der Fachbegriff ist eu-sozial oder wahrhaft sozial) eher die Ausnahme im gewaltigen Reich der Wildbienen. Weltweit gibt es rund 30 000 bekannte Arten (in Deutschland etwa 600), zu denen auch die Hummeln, nicht aber die Honigbienen, gehören. Von diesen sind nur fünf Prozent eusozial wie die erwähnte Pförtner-Schmalbiene. Die übrigen leben solitär.

Westrich gab uns einen Einblick in die einsiedlerische, aber wenig kontemplative Lebensweise dieser Bienchen, indem er uns Aufnahmen aus seinem Hausgarten zeigte. Dort hat er ein großes Insektenhotel aufgebaut, das von mehr als 30 Arten frequentiert wird. Ihr aktives Leben ist pure Anstrengung.  Das Weibchen der Rostroten Mauerbiene beispielsweise verlässt März, Anfang April sein Neströhrchen, in dem es überwintert hat. Kaum streckt die Biene ihr Köpfchen in die Frühlingssonne, wird sie von Drohnen, die bereits früher geschlüpft sind am Nesteingang abgepasst und regelrecht überfallen. Die Begattung dauert rund zwei Stunden und mutet eher wie eine Vergewaltigung an.

Kluge Baumeisterinnen

Kurz durchatmen, jetzt fängt erst der richtige Stress an. Es bleiben nur vier Wochen, um einen geeignten Nistplatz zu finden, in den dann Pollenvorrat für zehn bis zwanzig Nachkommen eingebracht werden muss. Für jedes gewaltig große Ei (der Legevorgang – von Westrich wunderbar gefilmt – ist eine körperliche Tortur) wird eine eigene Kammer gebaut und nach der Eiablage versiegelt. Damit gierige Vögel die Brut nicht auffressen, baut das Weibchen am Ende der Niströhre noch eine Scheinkammer; sie signalisiert dem hungrigen Blaumeischen, dass dieses Nest schon ausgeräubert wurde! Schlau, was?

Klar, dass auch ein Familienmitglied, das wir auf den Vortrag mitgeschleppt hatten, sich vom Bienenfieber anstecken ließ. Es hat umgehend ein Bienenhotel erworben und im Garten aufgestellt. Mal sehen, was der Frühling bringt!

Welch überlegener Geist, welch unergründliche Vollendung!

Schon der römische Naturforscher Plinius d.Ä. war hingerissen von der Ästhetik der Insektenwelt. In seinen Naturbetrachtungen schreibt er (nach der wunderbaren Übersetzung von Henri Fabre):

„Nirgendwo sonst offenbart sich in höherem Grade die Kunstfertigkeit der Natur. Bei großen Lebewesen war die Bildung leicht: bei diesen so kleinen und fast in Nichts verschwindenden Tierchen welch überlegener Geist, welches Vermögen, welch unergründliche Vollendung! Wo brachte die Natur bei der Mücke so viele Sinnesorgane an? Wo das Sehvermögen? Wo hat sie den Geschmackssinn angefügt? Wo den Geruchssinn eingepflanzt? Wo jene raue und verhältnismäßig starke Stimme eingehaucht? Mit welcher Feinheit hat sie die Flügel angeheftet, die Beine langgestreckt und den gierigen Durst nach Blut, besonders nach menschlichem, entzündet? Mit welcher Geschicklichkeit hat sie den Stachel mit doppelter Kunst geschaffen, indem er zum Stechen spitz und zugleich zum Saugen hohl ist. Wir bewundern die turmtragenden Schultern der Elefanten, die Nacken der Stiere und ihre trotzigen Attacken, die Raubgier der Tiger und die Mähnen der Löwen, während die Natur doch nirgends vollkommener ist als in den kleinsten Tieren.“

www.wildbienen.info
Die Website von Paul Westrich

Netzwerk Blühende Landschaft
Die Regionalgruppe Haar hatte Paul Westrich eingeladen.

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